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Eine Vorhaut klagt an

Eine Vorhaut klagt an

Titel: Eine Vorhaut klagt an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shalom Auslander
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sie sehr lange nicht mehr Lacrosse gespielt oder auch nur einen forschen Spaziergang unternommen hatte.
    Yoni nahm die Brille ab, wischte sich über die Stirn, putzte die Gläser mit seiner Kipa, klemmte sich die Drahtenden wieder hinter die Ohren und beugte sich über den Tisch.
    – Lass nichts aus, sagte er.
    Wir waren im letzten Jahr der Metropolitan Talmudical Academy High School für Jungen. Die Metropolitan Talmudical Academy für Jungen hatte auch eine Schule für Mädchen. Sie war sichere 145 Straßen entfernt.
    In dem Jahr erklärten sich die Rabbis nach endlosen Anfragen von Yoni und einer Gruppe weiterer sexuell frustrierter Senior-Schüler widerstrebend bereit, den Senior-Schülern der Jungen- Jeschiwe die Organisation eines einmaligen, beaufsichtigten Treffens mit den Junior-Schülerinnen von der Mädchen-Jeschiwe zu gestatten. Für mich war das nur ein kleiner Trost. Die Mädchen, die ich am besten kannte, waren Pornostars, Mädchen, die Amber, Nikki und Wendy hießen. Die Mädchen von der Jeschiwe hießen Miriam, Lea, Pesha und Shainey. Sie waren mir ein Rätsel. Für sie war der erste Schritt Händchenhalten, der zweite ein Spaziergang am Sabbat, der dritte, dass man den Mercedes ihrer Mutter fahren durfte, und der große Schritt war die Verlobung. Für mich war der erste anal. Viele der Mädchen waren Schomrim negie , »Hüter des Berührens«, was bedeutete, dass sie keine einzige Berührung von einem Mann gestatteten – kein Tätscheln, keinen Klaps, kein versehentliches Streifen, nicht mal ein Händeschütteln, nicht mal von ihren Brüdern –, bis zum Tag ihrer Hochzeit. Sie verbrachten die Abende mit Shoppen; ich verbrachte die Abende eingesperrt in meinem Zimmer mit einem kleinen Schwarzweißfernseher, einem gestohlenen Videogerät und einem Tütchen Marihuana. Nur ich, Seka, Traci und das Töpfchen Oil of Olaz, das ich vom Schminktisch meiner Mutter entwendet hatte. Ich war deprimiert, und ich war einsam, meine Genitalien dagegen waren jung wie nie.
     
    Akten, die mit dem Buchstaben A begannen, kamen in eine Mappe mit dem Buchstaben A darauf. Die Mappen mit dem Buchstaben A darauf kamen sodann in eine Aktenmappe mit dem Buchstaben A darauf. Sodann wurde die Aktenmappe in einen Aktenschrank gestellt. Der Aktenschrank war mit dem Buchstaben A gekennzeichnet.
    – Das können Sie aber gut, sagte die Aufseherin.
    Es war Sonntagvormittag, und ich war im Good Samaritan Hospital, wo ich meine Schuld an die Gesellschaft zurückzahlte, nachdem ich wegen Ladendiebstahl im Kaufhaus Macy’s in der Nanuet Mall verhaftet und verurteilt worden war. Neben einer hübschen Geldstrafe war mir gemeinnützige Arbeit auferlegt worden.
    – Hi, sagte Kelly. – Ich bin Kelly.
    Einer Kelly war ich noch nie begegnet.
    – Ich bin Steven, log ich.
    – Mir hat man gesagt, du heißt Shellum.
    – Geht beides. Sag Steven zu mir.
    Zu Beginn unseres letzten Schuljahrs hatten meine Freunde und ich nichtjüdische Namen für uns ausgesucht. Der Abschluss nahte, und danach wartete eine Welt voller Chancen, eine Welt, in der es, wenn man dem Film Bachelor Party glauben konnte, Mädchen gab, die uns auch anfassten. Aus Yoni wurde John. Aus Yaakov wurde Jake. Aus Shimon wurde Simon. Für einen Jake musste es einfacher sein, mit einer ins Bett zu kommen, als es für einen Yaakov gewesen war.
    – Ladendiebstahl, sagte ich zu Kelly.
    – Ladendiebstahl. Kelly nickte. – Ich auch. Hey, gehst du gern zu McDonald’s? Hier in der Straße ist einer.
    Ich hatte jahrelang nichtkoschere Sachen gegessen – Domino’s, Friendly’s, International House of Pancakes –, ein Geheimnis, das ich nur wenigen ausgesuchten Freunden anvertraut hatte. Nie aber hatte ich offen die Fleischgrenze überschritten, und nie war ich mit einem anderen Menschen einen Cheeseburger essen gegangen. Selbst wenn, dann nicht bei McDonald’s. McDonald’s war der nichtkoscherste Laden der Welt. Das Einzige, das noch nichtkoscherer war, war Red Lobster, aber ich brauchte mir von Gott nicht sagen zu lassen, dass man nichts mit Fühlern isst. Red Lobster war wie das Lokal, in dem Gott einen als Strafe dafür essen ließ, dass man überhaupt schon mal nichtkoscher gegessen hat. – Magst du trefe ? Da! Iss! ISS TREFE !
    Es war Sonntagnachmittag, und der Parkplatz war fast leer. Abgesehen von ein paar Krankenwagen vor der Notaufnahme, die ungeduldig auf die Sterbenden und die Toten warteten, waren die einzigen Autos auf dem Parkplatz ein Kombi, der im Parkverbot

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