Eine Vorhaut klagt an
ist bedrückend, sagte Sol. – Gelb ist fröhlich. Arabische Taxis sind bedrückend, jüdische sind fröhlich.
Ich bezahlte den Fahrer, gab Sol zwanzig Schekel, dann stiegen wir den Berg hinauf. Ich war bedrückt. Sol war fröhlich.
In Israel gab es Dutzende amerikanische Religionsschulen, und jede nahm auf der Frömmigkeitsskala eine leicht unterschiedliche Position ein. Das House of Study for Torah rangierte in der Mitte der Skala, die Yeshiva of the Wailing Wall und Gates of Jerusalem waren frommer, und die Candle of Israel war heiliger als alle zusammen. Alle diese Schulen hatten strenge Regeln, lange Studienprogramme und hohe Erwartungen. Die Neveh Zion war ganz unten, ohne Regeln, ohne festes Programm und ohne Erwartungen.
Die Jeschiwe rühmte sich, kaputte jüdische Teenager in den Schoß der Gemeinde zurückzuführen. Die Hälfte der Studenten war überhaupt nicht religiös und kam aus zerbrochenen oder zerrütteten Familien. Die andere Hälfte war schon religiös und kam wegen der lockeren Regeln und der »Geh es in deinem Tempo an«-Philosophie.
Die Jeschiwe war ein unvollendetes Gebäude, das ursprünglich für andere Bauherren errichtet wurde, denen dann aber das Geld ausging, so dass sie das Gebäude mittendrin aufgaben. Der große Studiensaal war unfertig, in den Wänden waren unverglaste Fenster und im Dach große Löcher. Im Sommer flogen Vögel ein und aus, und im Winter nisteten sie in den Dachbalken.
Als wir auf dem Berg ankamen, gingen wir zum Wohnheim, wo ein Student namens Winreb auf der Dachkante stand und drohte, sich umzubringen. In der Candle of Israel hätte es so etwas nie gegeben. Auf der Erde unter Winreb suchte ein hagerer, hämischer britischer Rabbi – später erfuhr ich, dass sein Name Rabbi Wint war – Winreb zu bewegen, wieder herunterzukommen.
– Mach keinen Unsinn, rief Rabbi Wint.
– Ich springe!, schrie Winreb.
– Du verpasst noch das Mittagessen!
Winreb lugte über den Rand. – Was gibt es?, rief er.
– Schnitzel, rief Rabbi Wint.
Sol und ich schleppten unser Gepäck die Stufen hinauf und blieben erschöpft stehen, um zuzuschauen.
– Spring doch, rief Sol.
Rabbi Wint drehte sich zu uns um, klatschte in die Hände und sprang auf und nieder. – Mehr Studenten!, sang er. – Mehr Studenten, die Ha-Schems Wort studieren! Gesegnet sei Gott!
Winreb beugte sich stirnrunzelnd über die Dachkante.
– Wer ist das?, rief Winreb zu Rabbi Wint hinab.
– Nicht vorbeugen!, rief Rabbi Wint.
– Sol, sagte Sol.
Rabbi Wint klatschte wieder und sang: – Gesegnet sind jene, die im Namen Gottes eintreten.
– Wer bist du?, fragte Winreb mich.
– Shalom, rief ich, warf mir eine Tasche über die Schultern und ging Richtung Tür. – Ich hab das Dach nebenan.
Rabbi Wint hörte auf zu singen und packte mich am Arm. – Auslander?, fragte er.
Ich nickte.
– Du musst dich bei Rabbi Grunther melden, sagte er.
Rabbi Grunther war der Rektor.
– Warum?
– Komm schon, sagte er und zog mich am Arm.
– Aber ich muss gleich …
Vier israelische F-16 rauschten in enger Formation über uns hinweg. Die amerikanischen Studenten johlten.
Bei Rabbi Grunther wartete ein Mann von Interpol auf mich. Er fragte mich, ob ich meiner Bewährungshelferin mitgeteilt hätte, dass ich das Land verlasse.
– Selbstverständlich, sagte ich.
– Bewährungshelferin?, fragte Rabbi Grunther.
– Ihr Pass ist unter Bewährung aufgetaucht, sagte der Mann von Interpol.
– Das hab ich ihr schon vor Monaten gesagt, sagte ich. – Rufen Sie sie doch an.
– Bewährungshelferin?, fragte Rabbi Grunther.
– Wir werden sie von meinem Büro aus anrufen müssen, sagte der Mann von Interpol. An Rabbi Grunther gewandt, sagte er: – Wenn wir das geklärt haben, bringen wir ihn zurück.
– Bewährungshelferin?, fragte Rabbi Grunther.
Ein paar Stunden später war ich wieder in der Jeschiwe, und Winreb war noch immer auf dem Dach.
– Haben sie ihn noch immer nicht runtergekriegt?, fragte ich einen kanadischen Studenten namens Moshe.
– Doch, sagte Moshe. – Aber er ist wieder rauf. Grunther sucht dich.
Ich fand Grunther in seinem Büro. Er schloss die Tür und steckte sich eine Zigarette an. Nachdem er mir eine angeboten hatte, ließ er sich auf seinen Stuhl sacken und lehnte sich über den Schreibtisch.
– Meinetwegen musst du nicht in den Unterricht, sagte er.
– Ich weiß.
– Meinetwegen musst du nicht in den Gottesdienst.
– Ich weiß.
– Aber wenn ich dich mit Drogen
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