Eine Vorhaut klagt an
und den Irrweg seines Tuns erkannt. Irgendwie war er dann in eine Jeschiwe geraten und dort geblieben. Das war vor fünfzehn Jahren gewesen. Rabbi Marcus war in einer Straßengang gewesen, danach Offizier in der israelischen Armee. Die meisten Rabbis in Neveh hatten solche Geschichten auf Lager, und sie erzählten sie stolz den versammelten Studenten. Diese Geschichten sollten inspirativ wirken; für mich waren sie warnende Beispiele.
Ich verbrachte meine ersten Monate im Heiligen Land meiner Stammväter damit, mich zu betrinken und eine Grasquelle zu suchen. Die Israelis verkauften Gras, hieß es, die Araber Haschisch; ich sah keinerlei Hoffnung für den Nahen Osten, wenn sie sich nicht einmal einigen konnten, wovon sie high werden wollten. Die Studenten der Hebräischen Universität standen eher auf Pilze, und wenn man entsprechend drauf war, gab es immer noch Haifa, ein zentrales Verteilungszentrum des internationalen Heroinhandels. Und ich hatte immer nur von Milch und Honig gehört.
Es dauerte volle zwei Monate, bis ich den Gebetssaal betrat, und drei, bis ich am gemeinsamen Gebet teilnahm. Selbst da kiffte ich mich vorher zu und stellte mich hinten in den Raum, nahe der Tür, und haute wieder ab, sobald der Rabbi mit seinem Vortrag begann.
Ich hatte Grund zur Sorge: Meine Freunde hatten mich als denjenigen ausgemacht, der »ausklinkte«. Wir alle kannten Leute, die für ein Jahr in einem »Frankie Says Relax«-T-Shirt und Gel in den Haaren nach Israel gegangen und zehn Monate später mit einem kompletten Talmud in der Tasche und einem schwarzen Filzhut auf dem Kopf zurückgekommen waren. Einige gingen auf ein zweites Jahr zurück, einige auf ein drittes, einige gingen überhaupt nicht mehr weg, eine erschreckende Aufwärtsspirale, scheinbar ohne Ende, da ging ich kein Risiko ein. Teils um mich zu schützen, teils wegen des Freibiers nahm ich einen Job als Barmann in einer kleinen Kneipe in Jerusalem an, wo ich Maccabee-Bier für israelische Soldaten und amerikanische Jeschiwe-Studenten ausschenkte. Dort lernte ich dann auch Naomi kennen.
Naomi war ein frommes Mädchen aus einer frommen Familie auf Long Island, die Freundin einer Freundin eines Freundes von mir namens Tzvi. Ich war in Israel, um eine Verurteilung wegen Ladendiebstahl auszusitzen, sie, um eine nähere Beziehung zu ihrem Volk und ihrem Gott zu erleben. Funken flogen. Naomi bestellte eine Cola light, ihre Freundin Rachel ein Glas Wasser, und sie luden mich schüchtern ein, mit ihnen am nächsten Tag die Klagemauer zu besuchen.
Die Klagemauer ist neben dem Tempelberg die heiligste Stätte des Judentums, der letzte Rest des Zweiten Tempels, den die Römer im Jahr 70 n.d.Z. zerstörten. Seitdem kommen die Juden zu der Mauer, um zu beten und zu klagen und handgeschriebene Zettel in die schmalen Ritzen zwischen den riesigen herodischen Blöcken zu zwängen, aus denen die Wand errichtet ist. Gebete, die hier zurückgelassen werden, sollen angeblich als Erste von Gott beantwortet werden, daher sind die Mauerritzen mit Bitten um Gesundheit, Glück, Vergebung, eine Heilung, einen Geldsegen, eine Antwort, ein Zeichen vollgestopft, ein schauerlicher grauer Kitt der Hilflosigkeit und Verzweiflung.
Seit meiner Ankunft hatte ich diesen verdammten Ort gemieden. Ich hatte von Menschen gehört, die dort zusammengebrochen sind, geschluchzt und geweint haben, dass Ungläubige plötzlich gläubig wurden, von einem, der glaubte, er sei nun der Prophet Jeremia und könne mit Gott sprechen, von einem anderen, der behauptete, Hesekiel zu sein, von einem dritten, der König David war und seitdem in einem strahlend weißen Gewand auf der Mauer saß und auf einer goldenen Plastikharfe spielte.
Ich lehnte ihre Einladung ab.
Alle guten Propheten waren schon besetzt.
Januar.
Ari hat einige Araber aufgetrieben, die Air Jordans wollten. Er verlangte 300 Schekel das Paar, rund 150 Dollar, das Doppelte dessen, was er in New York dafür bezahlt hatte, aber hier waren sie nicht zu bekommen, nicht einmal in Tel Aviv. Ari hatte einen ganzen Koffer mitgebracht, einen weiteren voller Rollerblades und einen Schrank voller Pornohefte, die er an andere Studenten für einen Schekel die Nacht verlieh. Sollte das Heft befleckt, verändert oder in anderer Weise für künftige Kunden nicht mehr benutzbar sein, oblag es dem Ausleiher, den Gesamtpreis des Hefts zu bezahlen, dazu noch eine Gebühr als Ausgleich für Aris Anstrengungen, den Porno aus Amerika heranzuschaffen.
Die
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