Eine Vorhaut klagt an
Araber waren zur Jeschiwe gekommen, aber sie wollten tauschen.
– Ich will nichts, was ihr habt, sagte Ari und lachte.
Aber ich. Ich gab ihnen vierzig Schekel und traf mich eine Stunde später mit ihnen am Fuß des Berges.
Ich hatte bis dahin noch nie Hasch geraucht. Ich ging mit Moshe, Dovid und Dovids Maccabee-Bierdosenbong hinters Haus, wo wir uns an den Rand des unfertigen Pools setzten. Aus dem Lautsprecher einer Moschee in der Nähe wehten islamische Gebete durchs Tal. Dovid nahm einen Zug, zog eine Grimasse und schüttelte den Kopf.
– Kamelscheiße, sagte Dovid.
– Bist du sicher?, fragte ich.
Hier zahlte sich der Rat der Zweitjährigen nun wirklich aus.
Dovid nickte.
– Iiih, sagte Moshe.
– Kamelscheiße, sagte Dovid und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
Aus irgendeinem Grund dachte ich an Naomi. Ich stellte sie mir in einem makellosen weißen Schlafsaal vor, wie sie Challa machte oder ihre Sabbatschuhe bürstete. Etwas Reines, etwas Einfaches.
Ich ging mit meiner Kamelscheiße nach drinnen.
Geographisch gesehen hat Israel nur zwei Jahreszeiten: Heilige Scheiße, ist das heiß hier, und Heilige Scheiße, ist das kalt hier. Heilige Scheiße, ist das kalt hier dauert von Dezember bis März, und es regnet ohne Unterbrechung.
– Shalom, rief jemand eines Abends Ende Februar. Ich war in meinem Wohnheimzimmer und probierte aus, wie man auch unter der Decke rauchen kann. – Telefon!
Donis Mutter schickte Süßigkeiten, paketweise. Eine Woche nach den Süßigkeiten trafen die Kuchen ein – Kekse, Brownies, Rice Krispies Treats. Dovids Mutter schickte Schecks. Seths Mutter schickte Kleider – ein Izod-Hemd, Socken, warme Thermounterwäsche. Meine Mutter rief mich alle zwei Wochen an und erkundigte sich schlecht kaschiert nach dem aktuellen Stand meiner sehnlichst erwarteten religiösen Wandlung; jede Frage stieg auf wie eine Taube von der Arche Noah, erfüllt von der Hoffnung auf freudige Nachrichten bei ihrer Rückkehr: Wie die Rabbis seien, was ich studiere, ob ich schon an der Klagemauer oder in Yad Vashem oder an der alten Grabstätte von Abraham und Sara gewesen sei.
Heute nicht , wollte ich sagen. Eigentlich hatte ich es vor, aber dann habe ich den letzten Rest meines wöchentlichen Taschengelds für ein Tütchen Kamelscheiße ausgegeben. Ein Araber hat mir die Kamelscheiße verkauft, Mom, ist das zu fassen? Nicht mal mit Drogen können wir handeln. War denn Camp David völlig umsonst?
– Es ist wegen Baba, sagte meine Mutter. Meine Großmutter.
Als ich klein war, schenkte Baba mir einen nichtkoscheren Chiclets-Kaugummi.
– Ma, beschwerte sich meine Mutter.
– Sind doch bloß Kinder, sagte Baba.
Vor meiner Abreise nach Israel besuchte ich Baba ein letztes Mal; ich wusste, sie würde wahrscheinlich noch vor meiner Rückkehr ihrem Alzheimer erliegen. Ich saß bei ihr am Bett, hielt ihr die Hand und versuchte, mich mit dem Gedanken zu trösten, dass ihr Verstand vermutlich schon vor einiger Zeit gestorben war. Als das nichts half, sagte ich mir, es sei alles nur zum Guten. Als das nichts half, weinte ich, sagte: – Wiedersehn, Baba, und lief zur Tür hinaus.
– Vielleicht könntest du ja zur Klagemauer gehen, sagte meine Mutter. – Ein kleines Gebet für sie sprechen.
Sie hatte lange gewartet, um das fallen zu lassen. Die Atombombe der Schuld: tote Mommy.
– Der Mensch plant, seufzte sie auf Jiddisch, – und Gott lacht.
Ich konnte Ihn gerade hören.
Ich lag eine Weile ruhig im Bett, schaute auf Cindy Crawford und überlegte, was ich tun sollte. Der Mensch plant, und Gott lacht . Was ist das denn für ein scheißblöder Aphorismus? Heißt das, Er ist ein Arsch? Was ist nur aus Der Mensch plant, und Gott tut Sein Bestes, damit diese Pläne Früchte tragen geworden? In welcher Religion gab es diesen Spruch noch mal? Sag mir, Cindy – der Mensch plant, Gott lacht … und da soll ich mich an eine Mauer stellen und zu Ihm beten? Warum? Wenn Er auch nur ein halb so großes Arschloch war, wie sie mir ständig sagten, glaubten sie denn wirklich, beten würde funktionieren?
Ich wollte nicht zur Mauer. Von meiner Jeschiwe aus dort hinzukommen bedeutete, den Berg hinunterzulaufen, mit dem Taxi nach Jerusalem zu fahren, mit dem Bus in die Stadt, mit einem zweiten Bus zur allerletzten Haltestelle am Jaffa-Tor und dann noch eine gute Viertelstunde durch die dunklen, verlassenen Straßen der Altstadt zu gehen. Dann musste man auch noch die Araber bedenken: Die Fahrt
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