Eine Vorhaut klagt an
Mannschaft arbeitete; sie hatte einen Insider des Leids gekannt, ihres Lieblingssports.
– Ich weiß, wo es ist, sagte ich.
Sie schnäuzte sich und seufzte tief ins Telefon.
– So unerwartet, sagte sie. – Das ist das Schwerste.
Meine Großmutter war an Alzheimer gestorben, einer Krankheit, die sie über sieben Jahre lang gehabt hatte.
Ich kam zum Zion Gate, ging schweren Schritts die Treppe hinab, warf meine Tasche auf eine Bahre und mich auf meinen alten Metallklappstuhl neben dem Kühlschrank.
Ich hatte meine Großmutter nicht gut gekannt – die Krankheit hatte ihren Verstand getötet, Jahre bevor sie sich ihren Körper vornahm –, aber ich hatte ein paar Kriegserinnerungen von ihr aus meiner Kindheit, Erinnerungen, die ich verzweifelt im Kopf abspulte und versuchte, für den Leichnam in dem Kühlschrank etwas, irgendetwas zu empfinden. Ich erinnerte mich daran, wie sie uns, als ich noch klein war, Rice Krispies Treats mitbrachte, die sie mit echtem Marshmallow Fluff gemacht hatte, was, wie jeder weiß, nichtkoscher ist.
– Sagt aber nichts eurer Mutter, flüsterte sie.
Doch es war zwecklos. Ich saß schäumend da und stellte mir meine Mutter oben vor, die Kummerballkönigin. Bestimmt seufzte und rezitierte und schwelgte sie in jiddischen Aphorismen über die unausweichliche Brutalität unseres elenden Lebens.
Ich kam mir vor wie Al Pacino in diesem Mafiafilm – »Gerade als ich dachte, ich wär raus, ziehen sie mich wieder rein«.
Ich machte meine Gatorade auf, tat ein paar Züge an meinem Joint, setzte meinen Walkman auf und versuchte zu schlafen. Es war schon elf Uhr nachts, und am nächsten Morgen musste ich bei meinem neuen Job in der Eisenwarenhandlung sein.
Sollten doch die anderen trauern.
Ich sparte auf einen 82er Ford Mustang Cabrio.
18
Ich war zwanzig Jahre alt und hatte Schwierigkeiten, Frauen kennen zu lernen. Mein Stammvater Isaak dürfte ebenfalls Schwierigkeiten gehabt haben, Frauen kennen zu lernen. Nachdem er in der Kindheit von seinem Gottoholischen Vater missbraucht worden war, wer konnte da etwas mit ihm anfangen? Wer konnte verstehen, was er durchgemacht hatte? Und wer sollte den anmaßenden Herrn akzeptieren, der ihn überallhin begleitete? Ich stellte mir vor, wie er, so wie ich, eine Abfolge schwieriger, oberflächlicher Beziehungen mit Leuten durchlitt, die gar nicht verstanden, wer er war, und wenn doch, auf keinen Fall mit ihm zusammen sein wollten.
Da war das religiöse Mädchen aus Long Island, das mich ermunterte, selbst religiöser zu sein. Und als ich dann religiöser wurde, merkte sie, dass sie mich weniger religiös lieber mochte.
Da war die peniphobe blondhaarige Adoptivtochter, die mich durch unerfüllte sexuelle Verheißungen immer gern ermunterte, weniger religiös zu sein. Als ich dann weniger religiös war, merkte sie, dass sie einen Religiöseren wollte.
Meine einzigen Freunde waren die Religiösen, die ich in Israel kennen gelernt hatte, Freunde, die kein Wort mit mir geredet hätten, wenn sie gewusst hätten, was ich wirklich dachte. Oder gelegentlich aß. Ich war so einsam und verstört wie nie zuvor in meinem Leben. Und dann klingelte das Telefon.
– Was machst du morgen Abend?, fragte Leah.
Leahs Vater war Rabbi. Ihre Onkel väterlicherseits waren Rabbis, und auch die Brüder ihrer Mutter waren Rabbis. Leah machte unablässig Mizwes , gute Taten. Sie besuchte die Kranken. Sie sammelte für die Armen. Sie arbeitete ehrenamtlich in der lokalen Synagoge. Sie gab sich alle Mühe, dass ich religiös blieb. Samstagabends rief Leah mich an und erzählte mir aufgeregt von dem Toraunterricht, den sie am Schabbes bei ihrem Vater gehabt hatte.
– Weißt du, was Reb Zalman über die Bedeutung von Barmherzigkeit geschrieben hat?, fragte sie mich. – Hast du schon mal Maimonides’ Kommentare zur Buße gelesen? – Hast du Reb Moshes Antwort darauf gehört, warum das Rauchen gemäß den Zehn Geboten verboten ist?
– Nein, sagte ich dann immer und zündete mir, vom Hörer abgewandt, eine Zigarette an. – Hast du schon mal Samuel Beckett gelesen?
– Nein, sagte sie. – Was hat er geschrieben?
– Dass das Leben ein sinnloser, tragikomischer Kreislauf aus Leid und Isolation ist, durchsetzt von Momenten des lächerlichen Glaubens an einen Erlöser, der nie kommt.
– Rauchst du?, fragte Leah.
– Nein, log ich.
Dann mehr Reb Zalman.
– Also, sagte sie, – was machst du morgen Abend?
Ich sagte ihr, ich hätte nichts vor, worauf sie
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