Eine Vorhaut klagt an
Fläche waren. Ein Grüppchen schwarzer und hispanischer Frauen, bis auf die Schuhe und eine Kool 100 nackt, stand rauchend und plaudernd da. Ging ein Fenster auf, balgten sie sich wie blöd darum, als Erste hinzukommen, wobei sie nicht mal immer die Zigarette ausmachten, und hockten sich ungelenk davor hin, die ersten nackten Frauen, die ich live gesehen hatte.
Worauf wartete Gott? , fragte ich mich.
Eine nackte Frau hockte sich vor mein Fenster und schrie.
– Wie bitte?, sagte ich.
– Zwei für Titten, schrie sie, – drei für Muschi.
Ich hatte keine Ahnung, was sie meinte. Sie streckte den Arm durchs Fenster und hielt die Hand auf.
– Zwei für Titten, Süßer. Drei für Muschi.
Ich langte in die Tasche. Da waren nur meine Kipa und ein Fünfer.
Fünf Mäuse und eine halbe Minute später hatte ich eine Grenze überschritten. Ich war schwach. Ich war schändlich. Ich war ein Versager. Ich war nicht größer als das niederste Tier auf Erden. Ich konnte mein Verlangen nicht beherrschen. Ich hatte meinen Körper über meine Seele gestellt. Ich hatte diese Welt der nächsten vorgezogen. Ich hatte vom Baum der Erkenntnis gegessen. Ich hatte mein grundlegendes Gutsein geleugnet. Ich hatte die Flamme des Judentums in meiner Seele ausgelöscht. Ich hatte mich von Gott abgewandt. Ich hatte eine Million jüdische Seelen ermordet. Ich hatte mich wie die Nationen der Welt verhalten. Ich hatte den Körper, den Gott mir geliehen hatte, befleckt, und Seine Wut würde gewiss so furchtbar sein wie Seine Rache. Das Fenster schloss sich, und das Dunkel, das mich umgab, erfüllte mich nun vollständig. Ich dachte, vielleicht tötete Er mich gleich hier, in der Kabine in der Peepshow mitten in der Stadt, in die ich niemals hätte gehen dürfen. Ich stellte mir die Szene vor, wie mein Leichnam (von einer Stripperin erstochen? von einem Perversling erschossen? Herzschlag in einer Sexkabine?) aus dem Laden getragen wurde und meine Mutter, die Erste am Ort des Geschehens, klagte – Warum nur??? , und auf dem Gehsteig sich immer mehr Schaulustige einfanden, traurig, klar, aber ebenso wie meine Mutter in der Erkenntnis, dass es, nun ja, so hatte kommen müssen.
Verbrennen genügte nun nicht mehr. Verbrennen war zu einfach. Zu groß war meine Sünde gewesen. Mit diesem Pyro-Buße-Scheiß machte ich niemandem etwas weis.
An jenem Abend ging ich, nachdem ich geduscht und meiner Mutter Gute Nacht gesagt hatte, auf mein Zimmer, stellte mich nackt vor meinen Schreibtisch und ließ das schwerste Wörterbuch, das ich finden konnte, auf mein Werkzeug der bösen Neigung fallen.
Merriam-Webster.
Gebunden.
Ungekürzt.
Eine neue Ära hatte angefangen.
– Verflucht noch mal, brüllte mein Vater in der Garage. – Wo sind denn meine verdammten Schraubzwingen geblieben?
Feuer war durch Qual ersetzt, Brennen durch Bestrafung, Feuerzeugbenzin durch Werkzeug. Die Juden haben keine Tradition der Selbstgeißelung, aber an jedem Versöhnungstag schlagen wir uns auf die Brust, und ich hatte die komplizierten Diskussionen im Talmud über die verschiedenen Formen der Todesstrafe studiert – Steinigen, Verbrennen, Köpfen und Strangulieren:
Dies ist der Vollzug des Gebotes des Verbrennens: Wir stellen ihn bis zu den Knien in Dung, wir führen ein hartes Gewand in ein weiches Gewand und wickeln es ihm um den Hals. Die Zeugen ziehen in beide Richtungen und öffnen damit seinen Mund. Der eine entzündet einen Docht und wirft ihn ihm in den Mund, wodurch seine Eingeweide verbrennen.
Rabbi Jehuda fragt: Wenn sie ihn erwürgen, wird dann die Mizwe des Verbrennens nicht erfüllt? Der Talmud versichert ihm: Wir verwenden eine Zange, um seinen Mund aufzudrücken. Was ist ein Docht?, fragte der Talmud. Heißes Blei, antwortet jemand.
Das ging so eine Weile.
Meine Mutter konnte nicht verstehen, wohin ihre ganzen Kochgeräte verschwanden.
– Hat jemand meinen Fleischklopfer genommen? Wie soll ich denn die Rinderbrust ohne meinen Fleischklopfer machen?
Positiv war, dass wir keine Kämpfe mehr wie früher hatten.
Im ersten Kapitel der Sprüche der Väter gebieten die Weisen jedem einzelnen Juden, einen Zaun um die Tora zu errichten – Gesetze und Verbote und Schutzvorkehrungen zu schaffen, die sie vor Versuchung und Sünde schützen. Einundzwanzigjährig, hoffte ich, dass die Ehe mein Zaun gegen die Versuchung von Sex und Pornographie sein könnte, doch bald zeigte sich, dass ich mehr als nur einen Zaun brauchen würde: eher einen Wall,
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