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Eine Welt für Menschen

Eine Welt für Menschen

Titel: Eine Welt für Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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würde. Warum sollte er die Gelegenheit also nicht nützen?
    »Ich bin die Stimme deines Sophie-Aspekts«, sagte er.
    »Sophie-Aspekt?« echote Maronne verwundert. »Davon habe ich noch nie gehört.«
    »Der Sophie-Aspekt vermittelt Weisheit«, erklärte Ashley in fließendem Qahirisch. »Nicht Wissen wie der Gnot-Aspekt, sondern Einsicht in die tieferen, nicht berechenbaren Zusammenhänge des Lebens.«
    Maronne gewann ihren Gleichmut zusehends zurück, als sie erkannte, daß ihr keine Gefahr drohte.
    »Wie kommt es, daß ich von einem Sophie-Aspekt nichts weiß?« erkundigte sie sich.
    »Sophie-Aspekte sind erst vor kurzem entstanden«, sagte Ashley. Oh Herr, laß mich eine wenigstens halbwegs vernünftige Erklärung finden, der sie den Unsinn nicht sofort anmerkt! »Sie wurden von einer Kombination anderer Aspekte erschaffen, als offenbar wurde, daß ein entsprechender Bedarf entstand.«
    Falls Maronne mißtrauisch wurde, ließ sie es sich nicht anmerken.
    »Du bist die Stimme meines Sophie-Aspekts«, wiederholte sie, was er zuvor gesagt hatte. »Was willst du mir mitteilen?«
    »Die Ideale der Qahiren sind unvollständig und hohl«, antwortete Ashley. »Es fehlen Menschlichkeit, Nächstenliebe und Respekt. Ihr solltet euch Gedanken darüber machen, ob durch die Hinzunahme dieser drei Prinzipien euer Leben nicht einen vollkommeneren Sinn erhielte. Respekt zum Beispiel versetzte euch in die Lage, weniger Abneigung gegenüber der Herrlichen zu empfinden.«
    Immer nur zu: Droh ein wenig! Die Wirkung blieb nicht aus. Maronne schien zu erschrecken.
    »Du hast uns belauscht!« stieß sie hervor. »Du hast gehört, was Pellgon und ich miteinander sprachen!«
    »Es blieb mir nichts anderes übrig«, verteidigte sich Ashley. »Ich war hier, und ihr spracht laut genug. Du weißt, daß Informationen von Aspekt zu Aspekt sickern. Wenn die Herrliche erfährt …«
    Moment mal – da stimmt etwas nicht! Die Sonne begann zu schrumpfen. Sie verlor ihren grellroten Glanz und verwandelte sich in einen weißgelben Feuerball. Der Himmel verfärbte sich ins Bläuliche. Die Pflanzen wechselten die Farbe und wurden zu normalen Gewächsen. Der marmorne Belag des Bodens auf der anderen Seite der Hecke verschwand und machte einer gepflegten Grasmatte Platz.
    Die Fiktivwelt verging. Die Wirklichkeit kehrte zurück.
    »Nun? Wenn die Herrliche erfährt, wolltest du sagen?« Es lag unverkennbarer Hohn in Maronnes Stimme. Sie hatte ihn die ganze Zeit an der Nase herumgeführt! All ihr Manövrieren hatte einzig und allein dem Zweck gedient, Zeit zu gewinnen. »Was geschieht, wenn die Herrliche von unserem Mangel an Respekt erfährt? Du schweigst? Wo bleibt die Weisheit des Sophie-Aspekts? Ich will es dir sagen. Es gibt keinen Sophie-Aspekt. Du bist ein fremder Eindringling. Ich weiß nicht, wie du es fertiggebracht hast, dich in meine Mcheza-Sphäre zu schleichen. Aber in wenigen Augenblicken kehren wir in die Wirklichkeit zurück. Da wird sich herausstellen, wer du bist …«
    Ashley wandte sich ab. Er wollte davonlaufen, aber die Muskeln versagten ihm den Dienst. Er brachte es kaum fertig, die Knie zu heben. Er befand sich in einer Fiktiv-Sphäre, die Maronne mit Hilfe eines ihrer Aspekte erschaffen hatte. Die Gesetze, die hier galten, wurden von ihrer Phantasie bestimmt. Sie wollte nicht, daß er entfloh. Das Laufen wurde zur Qual. Er sah sich um und erkannte, daß Maronne mühelos mit ihm Schritt hielt. Ihre Bewegungen waren gleitend und rasch, während er bei jedem Schritt den Fuß aus imaginärem, knöcheltiefem Morast hinausziehen mußte.
    »Gib dir keine Mühe«, höhnte Maronne. »Du entkommst mir nicht …«
    Der Rest ihrer Worte wurde immer undeutlicher und unverständlicher. Entsetzt registrierte er, daß er unmittelbar an der Schwelle der Wirklichkeit stand. Er verstand kein Qahirisch mehr! Die Kenntnis der fremden Sprache war offenbar ein Effekt, den der Aufenthalt in der Fiktivwelt mit sich brachte.
    Verzweifelt warf er sich zur Seite. Er landete in einem Busch, der nichts pastellfarben Fiktives mehr an sich hatte, sondern ihm mit seinen Dornen die Haut zerkratzte und ihm mit peitschenden Zweigen ins Gesicht schlug. Er hörte Maronne einen schrillen Schreckenslaut von sich geben. Dann war er plötzlich ruhig. Er spürte den Schmerz, den die Dornen hinterlassen hatten. Aber die Luft war plötzlich von anderer Konsistenz. Verschwunden war der exotische Blütenduft. Ein anderer Geruch hatte seinen Platz eingenommen, der Geruch von –

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