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Eine wie Alaska

Titel: Eine wie Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Green
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nach links und ruderte mit den Armen. Er machte einen einzelnen unsicheren Schritt, watschelnd, und es schien, als könnte er die Füße einfach nicht voreinander auf den Boden bringen. Kurz fand er das Gleichgewicht wieder, doch dann machte er einen Schritt rückwärts und landete auf der Couch. »Durchgefallen«, stellte er sachlich fest.
    »Okay. Und wie steht es mit deiner Wahrnehmung?«
    »Meiner Wahr-was …?«
    »Sieh mich an. Siehst du etwas? Siehst du mich doppelt? Könntest du aus Versehen in mich reinfahren, wenn ich ein Polizeiauto wäre?«
    »Es dreht sich zwar alles, aber ich glaub nicht. Das hier is’ übel. Is’ sie wirklich so blau gewesen?«
    »Anscheinend. Könntest du so fahren?«
    »Gott, niemals. Nein. Nie. Sie war echt blau, he?«
    »Ja.«
    »Wir waren echt bescheuert.«
    »Ja.«
    »Es dreht sich alles. Aber nein. Kein Polizeiauto. Sehen kann ich.«
    »Da haben wir unseren Beweis.«
    »Vielleicht is’ sie eingeschlafen. Ich bin schrecklich müde.«
    »Wir werden es rausfinden«, sagte ich und versuchte, die Rolle zu übernehmen, die der Colonel sonst immer für mich spielte.
    »Nicht heute Nacht«, entgegnete er. »Heute Nacht kotzen wir ein bisschen, und dann gehen wir ins Bett und schlafen unseren Rausch aus.«
    »Vergiss Latein nicht.«
    »Stimmt. Scheiß Latein.«
Achtundzwanzig Tage danach
    Der Colonel schaffte es zur Lateinstunde am nächsten Morgen – »Mir geht’s blendend, weil ich immer noch blau bin. Gnade mir Gott in ein paar Stunden« – und ich schrieb eine Französischklausur, für die ich un petit peu gelernt hatte. Im Multiple-Choice-Test war ich gar nicht schlecht (»In welchem Tempus steht das Verb?«), doch beim Essay zum Thema »Welche Bedeutung hat die Rose in Le Petit Prince? « kam ich ins Schleudern.
    Hätte ich Der kleine Prinz auf Englisch oder Französisch gelesen, wäre die Frage wahrscheinlich leichter zu beantworten gewesen. Doch leider hatte ich den Abend damit verbracht, den Colonel abzufüllen. Also antwortete ich: Elle symbolise l’amour. Auch wenn Madame O’Malley für die Antwort eine ganze Seite vorsah, hatte ich mit drei Worten alles gesagt.
    Ich hielt mich in meinen Kursen gut genug, dass ich im Durchschnitt auf eine 2– kam, und meine Eltern sich keine Sorgen machen mussten, doch darüber hinaus war mir alles egal. Was schert mich die Bedeutung der Rose? , dachte ich. Welche Bedeutung haben weiße Tulpen? Das war die Frage, auf die ich eine Antwort brauchte.
     
    Nach einer Standpauke und der Verurteilung zu zehn Arbeitsstunden durch die Jury kehrte ich in Zimmer 43 zurück, genau in dem Augenblick, als der Colonel Takumi gerade alles erzählte – na ja, alles bis auf den Kuss. Der Colonel sagte gerade: »Und dann haben wir ihr geholfen, vom Schulgelände runterzukommen.«
    »Ihr habt die Böller losgelassen«, sagte Takumi.
    »Woher wusstest du von den Böllern?«
    »Ich hab selbst ein paar Nachforschungen angestellt«, antwortete Takumi. »Egal. Das war dumm von euch. Das hättet ihr nicht tun sollen. Aber irgendwie haben wir sie wohl alle gehen lassen«, sagte er. Ich überlegte, was er damit meinte, doch bevor ich fragen konnte, wandte er sich an mich: »Glaubst du, es war Selbstmord?«
    »Möglich«, antwortete ich. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie aus Versehen in das Polizeiauto gerast ist, es sei denn, sie ist eingeschlafen.«
    »Möglicherweise wollte sie ihren Vater besuchen«, sagte Takumi. »Nach Vine Station geht es in die Richtung.«
    »Möglich«, meinte ich. »Alles ist möglich, oder?«
    Der Colonel griff in die Tasche und fischte ein Zigarettenpäckchen heraus. »Na, da setze ich noch eins drauf: Möglich, dass Jake ein paar Antworten hat«, sagte er. »Alles andere haben wir versucht, also rufe ich ihn morgen an, okay?«
    Inzwischen wollte ich auch Antworten, nur nicht auf alle Fragen. »Meinetwegen«, sagte ich. »Aber hör mal – erzähl mir nichts, was nicht wichtig ist. Ich will nur das wissen, was erklärt, wo sie hinwollte und warum.«
    »Ehrlich gesagt, ich will auch nicht alles wissen«, sagte Takumi. »Ich hab das Gefühl, manche Dinge sollten einfach ihre Privatsache bleiben.«
    Der Colonel stopfte ein Handtuch in den Türspalt und zündete sich eine Zigarette an. »Also gut, Leute. Wir beschränken uns auf die Dinge, die wir wissen müssen .«
Neunundzwanzig Tage danach
    Als ich am nächsten Tag vom Unterricht kam, sah ich den Colonel auf der Bank unter dem Telefon sitzen. Er hatte den Hörer zwischen Ohr

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