Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)
zumeist hohe Heeresoffiziere in Begleitung auffällig gekleideter Frauen. Dean grüßte einige von ihnen von weitem, wobei Rosts Augen nicht entging, dass alle seinen Gruß mit einer gewissen dankbaren Unterwürfigkeit erwiderten. Das bedeutete, dass dieser Dean eine geachtete Persönlichkeit in seinem Bekanntenkreis war. Dean wiederum warf prüfende Blicke auf seinen Begleiter und sah zufrieden, dass er das sichere Auftreten eines Manneshatte, der solche Lokale frequentiert, obwohl er ein derart elegantes Restaurant vermutlich noch nie aufgesucht hatte. Nein, er hatte sich nicht in ihm geirrt, zweifellos gehörte er zu der Sorte Menschen, die dank ihrer raschen und scharfen Auffassungsgabe im Handumdrehen jede neue Umgebung zu meistern wissen. Es war die Gabe großer Schauspieler, die jede Rolle der Welt spielen können, ohne dabei ihre gefestigte Persönlichkeit zu verwischen, stets über ihrer momentanen Rolle stehen, sie beherrschen.
Dean wählte einen Tisch an der Wand, von dem man den ganzen Saal überblickte. Kellner, festlich in blendendweiße Jacken gekleidet, bedienten aufrecht und mit erlesenen Gebärden oder standen dienstfertig, aber selbstbewusst bereit. Ein glatzköpfiger Ober im Smoking machte vor jedem neuen Gast einen knappen Diener. Rosen- und Nelkensträuße in bauchigen Porzellanvasen zierten die weiß gedeckten Tische. Der Saal füllte sich zusehends. Bald rauschte eine hochelegante, charmante Blondine um die dreißig herein und steuerte schnurstracks auf den Tisch der beiden Männer zu, gefolgt von einem Hündchen, das ganz aus Wolle zu sein schien und ihr eifrig nachtrippelte. In diesem kleinen Wollknäuel steckten eine feuchte Nase und zwei klug dreinschauende schwarze Augen. Man konnte meinen, ein heftiger Windstoß könnte die Wolle zerstäuben, so dass von dem ganzen Hund nur noch die beiden Augen und die Nase übrigblieben, dicht über dem Boden in der Luft.
»Da kommt meine Frau«, sagte Dean, erhob sich zu ihrem Empfang und stellte dann vor: »Herr Michael Rost, mein junger Freund.« Rost verbeugte sich und küsste ihr die Hand über dem Handschuh, der bis zu den Fingern hochgeschoben war. Als sie Platz genommen hatte, rief sie den Hund: »Komm her, Waldi!«, packte ihn an den Nackenhaaren und hob ihn auf den Stuhl neben sich. Ihre Stimme war wohltuend klar, und ein herzlicher Unterton schwang darin mit.
»Bist du mit der Droschke gekommen?«, fragte Dean.
»Ja. Franz wartet. Ich dachte, du würdest ihn vielleicht brauchen.«
»Und du selbst?«
»Ich gehe in die Oper. In ›Lohengrin‹.«
»Allein?«
»Mit Felix«, sie sah ihn liebevoll an, »vielleicht kommst du mit?«
»Ich habe heute Abend keine Lust.«
Dann saß sie rank und stolz am Tisch und löste geschickt das weißliche Fleisch des Hummers, den Dean als Vorspeise bestellt hatte, aus seinem roten Panzer. Rost warf ihr hin und wieder verstohlene Blicke zu. Sie duftete nach Veilchen. Er dachte sich: Ein luftiger Frühlingstag, einer der ersten, Gold und Azur … Völlig unvermittelt überflutete ihn reinste Freude, die sein Gesicht zum Leuchten brachte. Er war jung, und die Welt war hübsch und jung wie er, und draußen fiel Regen, und auch der war schön und konnte einem die Stimmung um keinen Deut trüben. Er streichelte Waldi, der auf dem Hintern saß und das Geschehen am Tisch betrachtete wie ein ruhiger Philosoph.
Danach nippte Rost an dem kühlen Sekt. Das Getränk zerging ihm auf der Zunge und verwandelte sich in etwas Abstraktes, Vergeistigtes, in bloße Luft, flutete wohlige Wärme in seine Glieder. Er freute sich auch für Peter Dean und brachte ihm schon nicht wenig Freundschaft entgegen wegen dieser Frau, die ihn zweifellos sehr liebte. Und im Lauf dieser innigen Gefühle entflammte auch wieder die Erinnerung an die vergangene Nacht in Gertruds Armen, erschien ihm wie ein gischtender schwarzer Feuerstrom. Die stürmische Leidenschaft, die bei dieser reifen Frau für ihn entbrannt war, stärkte sein Selbstbewusstsein, verlieh ihm einen Schub Sicherheit, als sei sie im Maß dieser Leidenschaft gewachsen.
Erst jetzt bemerkte Rost die angenehme, unbestimmte Vorfreude, in der sein Körper tagsüber der kommenden Nacht entgegenfieberte. Die körperliche Berührung mit dieser Frau dauerte an, war jetzt noch spürbar auf der Haut wie eine herrlich leichte Dunsthülle. Ihre Körperwärme strahlte schwach in seiner Haut nach, ja weckte sogar eine wohlige Zuneigung zu seinem eigenen Körper, der ihm lieb wurde, weil
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