Eine Witwe ohne Tränen
Bosheit. »In
gewisser Weise herrschte da Folgerichtigkeit. Erst wurde man Lloyd Carlyles
Geliebte, dann heiratete er einen. Wenn er lange genug gelebt hätte, wäre ich
vielleicht zur fünften Mrs. Carlyle avanciert.« Ihr Lächeln verschwand von
ihrem Gesicht. »Haben Sie Vivienne je kennengelernt?«
»Nein.«
»Sie
ist nicht der Typ, der im Liebesnest herumsitzt und gelassen darauf wartet, daß
Daddy sein derzeitiges Ehegespons satt kriegt. Und außerdem sah es bis zum Tag
ihres Todes gar nicht so aus, als ob Lloyd Gail satt hätte! Vivienne ist ein
skrupelloses, intrigantes kleines Luder, das statt eines Herzens einen Banksafe
hat und dem das reine Gift durch die Adern rinnt! Meiner Ansicht nach kam sie
zu dem Schluß, daß, wenn schon Lloyd keine Eile hatte, seine Frau loszuwerden,
sie sehr wohl Eile hatte.«
»Aber
dafür haben Sie doch wohl keine Beweise?«
Sie
blickte mich an, als sei ich eben zum zweitenmal in
einer Hilfsschulklasse durchgeflogen. »Natürlich nicht! Glauben Sie, ich hätte
sonst nicht längst etwas unternommen? Da ist noch etwas. Gail hatte einen
Bruder, ebenfalls ein hinterlistiges Subjekt, der genau zu Vivienne paßt. Er
heißt Godfrey, Justin Godfrey. Ich würde die Hand dafür ins Feuer legen, daß er
ebenfalls die Finger in der Sache stecken hatte.«
»Auch
da keine Beweise?«
»Gail
war ebenfalls nicht genau das, was Lloyd sich erträumte. Während er damit
beschäftigt war, Vivienne im Liebesnest zu besuchen, war sie ihrerseits mit
einem Burschen namens Lester Fosse beschäftigt, und
vielleicht hatte auch der etwas mit dem Ganzen zu tun.«
»Sie
sind schrecklich gut informiert«, sagte ich.
»Ich
habe alles von Lloyd gehört.« Ihre Stimme klang müde. »Immer und immer wieder
habe ich es gehört, bis ich manchmal dachte, ich finge gleich an, laut zu
schreien. Aber irgendwie habe ich das dann doch nicht getan.«
»Wie
kam Gail ums Leben?«
»An
einer Überdosis Schlaftabletten.« Sie zog eine verächtliche Schnute.
»Schlaftabletten! Gail war eine kerngesunde dreißigjährige Frau, deren
Vorstellung von Entspannung aus drei Sätzen Tennis mit einem Berufsspieler
bestand. Sie schlief gern ein bißchen herum, und das war in bester Ordnung, so
wie die Dinge lagen; dadurch konnte sie Lloyds Bedürfnis nach einer anderen
Frau aus eigener Anschauung verstehen und sich gleichzeitig mit ruhigem
Gewissen ihrer Affäre mit Lester Fosse hingeben.«
»Vivienne
hatte also ein Motiv«, sagte ich müde. »Sie konnte es nicht erwarten, die
auserwählte Ehefrau zu werden, zumal Lloyd keine Anstalten traf, seine
derzeitige Frau abzuhalftern. Aber was für ein Motiv sollte Gails Bruder haben,
seine Schwester umzubringen?«
»Ich
weiß nicht«, sagte sie barsch.
»Was
für ein Motiv kann Gails Liebhaber gehabt haben, sie umzubringen?«
»Das
weiß ich auch nicht. Es liegt an Ihnen, das herauszufinden.«
»Hören
Sie...« Ich japste beinahe. »Abgesehen von allem übrigen ist das zwei Jahre
her. Was für Chancen habe ich Ihrer Ansicht nach, wenn ich eine Büchse so alter
Erbsen öffne?«
»Das
ist Ihr Problem, Rick Holman.« In ihrer Stimme lag ein boshafter Unterton.
»Wenn Sie — und die Stellar — wollen, daß ich wegen meiner Beziehungen zu Lloyd den Mund
halte, dann müssen Sie beweisen, daß Gail entweder ermordet wurde oder
Selbstmord begangen hat. Wenn Sie mir für das eine oder das andere positive
Beweise bringen, gehe ich auf die Forderungen der Stellar ein.«
»Und
wie steht es in der Zwischenzeit?«
»Ich
werde mich zwei Wochen ruhig verhalten«, versprach sie.
»Zwei
Wochen?« schrie ich. »Was, zum Kuckuck, glauben Sie, kann ich in zwei Wochen
erreichen, wenn die Spur, der ich folgen muß, bereits zwei Jahre alt ist?«
»Ich
glaube ebenso an Sie wie Della August«, sagte sie kalt. »Für mich sind Sie ein
Superman, Rick Holman. Zwei Wochen sind für einen Superman ausreichend, um das
Antlitz der Erde zu ändern.«
»Sie
sind verrückt«, sagte ich. »Und ich werde Ihnen dabei gleich Gesellschaft
leisten. Nehmen wir mal einen Augenblick lang an, es handelte sich wirklich um
Mord und ich kann das beweisen. Angenommen, der Mörder war Lloyds Witwe oder
der Liebhaber seiner dritten Frau oder deren Bruder. Was, zum Teufel, soll dann
geschehen?«
»Das
weiß ich nicht«, sagte sie gelassen. »Ich glaube, darüber müssen wir uns den
Kopf zerbrechen, wenn es soweit ist.« Sie sah den gequälten Ausdruck auf meinem
Gesicht und lächelte liebenswürdig. »Ich sagte, ich wolle
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