Eine Zuflucht aus Rosen
dem Mittagsmahle zu uns.“ Auf diese Weise wurden die Begleiter alle fortgeschickt – darunter auch Tricky und Peg, die Onda auf ihrer Mission gerne begleiten wollten – und die beiden Frauen blieben allein zurück.
„Endlich“, sagte Judith und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln.
„Bitte setzt Euch“, Madelyne fand die Stimme wieder und war entschlossen wieder Herrin über ihr eigenes Schicksal zu werden. Liebend gern gab sie ihre mangelnde Geschicklichkeit in Puncto Kleider und Mode zu und überließ sich dann jenen, die sich besser auskannten. Aber in anderen Dingen würde sie nicht so mit sich verfahren lassen. Bevor sie die Gelegenheit bekam etwas zu sagen und das klarzustellen, winkte Judith mit einer Hand und setzte sich mit einem Plumps auf das Bett.
„Meiner Treu, es ist wahrhaft schwer sich Vorwände auszudenken, um sie alle schnellstens fortzuschicken, ohne dass sie sich fragen, warum es mir so dringlich ist. Ich wollte nur für einen Augenblick mit Euch alleine sein – da Ihr von jenem kleinen Drachen bewacht werdet –, um mit Euch über all die verflossenen Jahre zu reden.“ Ihr Gesicht, das schon so überaus schön war, wandelte sich sanft, von dem Lächeln zu einem Ausdruck leiser Traurigkeit. „Liebe Maddie, Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie schlecht es mir erging, als ich erfuhr, dass Ihr vor zehn Jahren ertrunken wärt. Und Ihr könnt Euch die Hoffnung nicht ausmalen, die ich empfand, als Gavin mir mitteilte, dass er Euch gefunden hätte, am Leben.“
Bei der Erwähnung von Gavin empfand Madelyne einen seltsamen Ruck in ihrer Magengegend und sie stand abrupt auf. Diese schöne Frau, mit dem rotgoldenen Leuchtfeuer von einem Kopf und den funkelnden grünen Augen, hatte er ihr als Hilfe genannt, die sie aufsuchen sollte, wenn sie Hilfe nötig haben sollte. Sie sprach in vertrautem Ton und mit Wärme in der Stimme von ihm und auch wenn ihr das nichts anhaben sollte, konnte Madelyne den unglücklichen Gedanken nicht abwehren, was Judith von Kentworth dem Lord Mal Verne wohl bedeuten mochte.
„Lord Gavin sagte mir, ich solle Euch aufsuchen, sollte ich Hilfe brauchen, aber ich wusste nicht, dass Ihr es wart, von der er sprach“, antwortete sie vorsichtig.
„Wie kam es, dass er Euch fand? Wie kam es, dass Ihr am Leben seid?“
Madelyne erzählte eine vereinfachte Version von der Flucht, die sie und ihre Mutter vor zehn Jahren unternommen hatten, gab dabei Acht zu erwähnen, dass Lady Anne ein paar Jahre nach ihrem Eintreffen im Kloster verstorben sei. „Lord Gavin kam zu dem Kloster, das uns als Zuflucht diente, und nachdem die Schwestern seine Wunden und die seiner Männer versorgt hatten, ließen wir sie wieder ziehen.“ Sie hielt es für besser nichts von der List zu erzählen, mit der sie Gavin hinters Licht geführt hatte. „Es ist nur zwei Wochen her, dass er mit einem Befehl des Königs wiederkehrte, worin dieser meine Anwesenheit bei Hofe verlangte.“ Sie schaute Judith fragend an. „Ich weiß nicht, warum Seine Majestät eine Audienz mit mir angeordnet hat.“
Überraschung zuckte da auf Judiths Gesicht auf. „König Heinrich hat Eure Anwesenheit verlangt? Aber Gavin erzählte mir–“ Hier unterbrach sie sich unvermittelt und biss sich auf die Unterlippe. Einen Augenblick lang sah sie unentschlossen aus und Madelyne betrachtete sie lange, wobei ihr immer kälter ums Herz wurde.
Dann klatschte Judith kummervoll in die Hände. „Immer ist es mein loses Mundwerk, das mich auf glühenden Kohlen landen lässt!“ Sie schüttelte den Kopf und ein dicker kupferfarbener Zopf schwang nach vorne über ihre Schulter.
„Was hat Lord Gavin Euch gesagt?“, fragte Madelyne mit einer Gelassenheit, die sie nicht empfand.
Judith setzte sich auf dem Himmelbett aufrecht hin, wobei sie immer noch an ihrer Unterlippe nagte. „Er kam, um mich zu fragen, ob ich mich an die Muttermale an Eurem Handgelenk erinnere“, sie zeigte auf Madelynes linke Hand, das Handgelenk nur knapp sichtbar unter dem Ärmel ihrer Tunika. „So hat er Euch wiedererkannt, solltet Ihr das nicht schon wissen.“
Madelyne legte den Kopf zur Seite, während sie versuchte den Aufruhr in ihren Eingeweiden zu beruhigen. „Was hatte das ihn denn zu bekümmern?“
„Euer Vater und Gavin de Mal Verne sind Todfeinde“, erzählte Judith ihr mit weit geöffneten, ernsten Augen. „Gavin hat geschworen Fantin de Belgrume zu vernichten und er hat die Unterstützung des Königs.“
„König Heinrich hat seine
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