Eine Zuflucht aus Rosen
einmal an den Lippen hängen – vielleicht war jene sture Art schon immer da gewesen, nur versteckt unter einem Schleier und von eifrig betenden Händen.
„Noch seid Ihr keine Nonne“, erinnerte Tricky sie trotzig. „Und bis zu dem Tage, an dem Ihr Euer endgültiges Gelübde leistet und Euren Kopf kahl schert, müsst Ihr das Gewand Eures Standes einfach ertragen. Selbst Ihr, Mylady, müsst den Anspruch auf den Titel der Lady von Tricourten vor Euch her tragen, wenn Ihr hier eine Chance bekommen wollt.“
Die Näherin nickte heftig. „So ist es, Mylady, Ihr müsst auf Eure Zofe hören – sie hat Recht in diesen Dingen. Und der Lord von Mal Verne hat mich angewiesen Euch in solcher Weise einzukleiden. Ich darf seine Wünsche nicht missachten.“ Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie sich nicht so sehr vor dem Lord fürchtete, sondern einfach abgeneigt war, sich das Geschäft hier entgehen zu lassen.
Madelyne runzelte die Stirn und erwiderte nichts, weil sie gerade ihre plötzliche Abneigung zu verdrängen versuchte, sich bald den Kopf kahl scheren zu lassen. Sie könnte verlangen, dass die Frauen verschwanden und sie ihren schlichten, ausgeliehenen Gewändern überließen ... aber vielleicht hieße das, sich ins eigene Fleisch zu schneiden. Sie würde jedes bisschen Einfluss aufbringen müssen, wenn sie vom König die Erlaubnis erhalten wollte, seinen Hof zu verlassen, und wenn sie ihren Aufenthalt hier überleben wollte.
Sie seufzte und die anderen ergriffen ohne Umschweife die Gelegenheit ihres stummen Einverständnisses, um zur lebhaften Erörterung ihrer Kleider zurückzukehren. Als die Näherin ging, hatte Madelyne ihren inneren Frieden bereits wiedergefunden – wenn auch vorübergehend –, was das Arrangement betraf. Es war ein vorübergehendes Zugeständnis und wenn sie zum Kloster Lock Rose zurückkehrte, würde sie die vertrauten Gewänder aus schwarzem und blauen Leinen wieder anlegen können. In Gedanken versunken ließ sie die Hand über die Glätte einer perlmuttartigen Seide gleiten und genoss verzückt diese Zartheit. Es wäre keine entsetzliche Entbehrung, in die Weichheit einer Tunika aus solchem Tuch zu schlüpfen, dachte sie schuldbewusst. Sie nahm die Hand rasch weg und drehte sich der kleinen Feuerstelle zu und zwang sich zwei Vaterunser und ein Gebet zu der Heiligen Jungfrau aufzusagen, als Buße für ihre leichtfertigen Gedanken.
Kaum war Madelyne fertig damit, als ein Klopfen an der Tür erklang. Sie wollte darauf zugehen, aber Tricky wies sie mit der Hand an, stehen zu bleiben, und öffnete gerade so weit, dass sie hinausschauen konnte. Sie kam dann wieder in die Kammer herein und verkündete mit einer hochoffiziellen Stimme, „Die Herrin hat Ihren ersten Besuch. Lady Judith von Kentworth bittet um eine Unterredung mit meiner Herrin.“
Madelyne erhob sich und strich sich das Gewand glatt. „Tricky, bitte, lasst sie herein.“ Sie trat in Richtung Tür, um die Frau zu begrüßen, die schon hereinflog, gefolgt von einem Pagen und zwei Zofen.
„Lady Madelyne.“ Wie sie da hereinfegte, brachte die andere Frau das Zimmer zum Leuchten, mit ihrem Lächeln und ihrem flammenden, rotgoldenen Haar. Sie ließ kurz ab von Madelynes Händen, die sie rasch mit den ihren ergriffen hatte. „Erinnert Ihr Euch nicht an mich?“ Ihr Lachen erklang wie Schellen im Zimmer, als sie weiter ins Zimmer kam und dabei fast auf einen Stapel liegengelassener Stoffballen trat. „Unser Sommer als Ziehtöchter in Kent?“
Mit der Kraft eines wilden Sturms auf See kehrte die Erinnerung da wieder zu Madelyne zurück und sie konnte nicht anders, als sich dem Lächeln zu ergeben, das ihr übers ganze Gesicht strahlte. „Judith? Ihr seid das?“ Noch bevor sie ein weiteres Wort sagen konnte, wurde sie von ihrer Freundin aus Kindertagen innig umarmt und sie spürte, wie die Anspannung von ihr wich.
Judith löste sich wieder, hielt sie mit ausgestreckten Armen von sich und betrachtete sie unverhohlen. „Fürwahr, Madelyne, Ihr seid zu einer wunderschönen Frau herangewachsen! Aber Eure Kleider müssen wir vergessen!“
Und bevor Madelyne Einwände erheben konnte, dass sie schon viel zu viel Aufhebens wegen ihrer Kleider gehört hatte, nahm Judith schon alles in Angriff und begann kurz und knapp Befehle auszuteilen. „Holt mir meine Truhe mit den Schleifen und den Gürteln, Mellie“, sprach sie zu einer Zofe, die mit ihr gekommen war. „Onda, ich werde Miss Blaine sehen müssen – schickt sie noch vor
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