Eine Zuflucht aus Rosen
zur Erwiderung.
Sie streichelte ihr sanft die Wange. „Maddie, irgendwie spüre ich, dass Ihr eine Kraft und Kühnheit erlangen werdet, von denen Ihr nichts ahntet, wenn Ihr Euch dem Wirbelsturm des Hofes entgegenstellt. Und zumindest werdet Ihr mich haben, die von vielem, was hier geschieht, Kenntnis hat – und was ich nicht weiß, kann ich meistens rasch entdecken.“ Sie warf einen letzten, abschätzenden Blick auf Madelyne, die mit ihrer Hilfe das unmodische Kleid abgelegt hatte und jetzt etwas modischer eingekleidet war.
Madelyne war eine außergewöhnlich schöne Frau, dachte Judith – nicht zum ersten Male – bei sich. Mit ihrer hellen, zarten Haut und dem Haar von der Farbe der Mitternachtsstunde, würde sie unter den Hofdamen der Königin sehr wahrscheinlich Aufsehen erregen – und ebenso unter den Rittern und den Soldaten, die Teil des Hofes waren. Jetzt da sie etwas modischere Kleider trug, würden die schneidenden Bemerkungen und verbalen Dolchstöße nicht auch noch die zusätzliche Spitze haben, sie wegen ihrer Kleider zu bemitleiden oder als eine Landpomeranze abzufertigen.
Judith hatte für Madelyne ein smaragdgrünes Untergewand aus ihrem eigenen Kleiderbestand ausgesucht. Auch wenn Madelyne bei dem enganliegenden Rock zunächst einmal erschrocken abgewehrt hatte, den man ihr seitlich und dann auch an den Ärmeln entlang zuschnürte, hatte sie sich jetzt dreingefügt und trug es unter einer bodenlangen Tunika von Saphirblau. Onda, Judiths Kammerzofe, hatte Peg und Tricky gezeigt, wie man Maddies dichtes, dunkles Haar zu kunstvollen Flechten schlang und diese in modischen Haarnetzen über den Ohren drapierte. Die Haarnetze gehörten ebenfalls Judith und winzige, eingewobene Goldperlen funkelten nun in den Massen von schwarzen Zöpfen.
„Absolut atemberaubend“, sagte Judith zu ihr, hob spielerisch die Hand, um sich einen vorwitzigen Finger nachdenklich an das Kinn zu legen. „Ihr werdet allen den Kopf verdrehen und jeder wird sich fragen, wer Ihr seid.“
Madelyne erbleichte und die Hände wanderten automatisch hoch, um sich an die Haare zu fassen. „Aber ich wünsche nicht, Aufmerksamkeit zu erregen!“
„Aber, aber, Maddie“, sagte Judith vorwurfsvoll und hakte sich bei ihr ein, „Ihr könnt Eure Schönheit nicht verbergen und schon bald werden alle Euch ohnehin kennen ... also ist es besser, das zu Euren eigenen Bedingungen geschehen zu lassen. Kommt, wir dürfen uns nicht verspäten.“
Sie wischte den unglücklichen Ausdruck auf Madelynes Gesicht einfach beiseite, schob sie beide aus dem Zimmer und ließ die Zofen einfach hinter ihnen hereilen.
Als sie die Große Halle erreichten, wo sich die riesige Menschenmenge, die den königlichen Hof bildete, ihre Mahlzeiten einnahm, hielt Judith kurz an und stellte sich auf die Zehenspitzen, um über die Ansammlung von Menschen zu blicken. Sie hoffte Gavin zu erblicken und darauf zu bestehen, dass er mit ihnen am Tisch saß oder dass er sie zumindest in der Nähe des königlichen Podests unterbrachte. Abgesehen davon beabsichtigte sie ihre Zunge an ihm zu wetzen, dass er Madelyne sich selbst überlassen hatte. Ein enttäuschter Seufzer überkam sie und Judith sank wieder auf die Ballen ihrer Füße runter. Sie beabsichtigte Gavin bittere Vorwürfe zu machen – wenn sie ihn fand –, aber ihr Verhältnis zueinander war brüchig und angespannt, so dass es nur wahrscheinlich war, dass er lediglich kalt und abweisend werden würde und dann fortfuhr wie der perfekte Gentleman zu handeln, der den Vorwurf sowie seine Schuld in der Sache akzeptierte.
Sie verzog den Mund. Wenn er doch nur eine andere Emotion außer Wut oder Gleichgültigkeit zeigen würde! Judith drückte Madelyne die Hand und fing an, sie durch die Menschenmenge zu ziehen in Richtung vom königlichen Podest. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte Gavin gelacht und gescherzt, als Lächeln und Anteilnahme sein Gesicht erwärmten ... eine Zeit vor Nicola, vor Gregory ... und vor Fantin de Belgrume.
Sie fädelte sich geschickt einen Weg durch die Tischreihen, immer mit Madelyne im Schlepptau. Plötzlich spürte sie, wie die kühle Hand ihr entglitt, und Judith hielt an, um sich umzudrehen. „Maddie, geht es–“ Sie schluckte ihre Worte herunter, als sie Gavin da stehen sah, das Gesicht so finster und unergründlich wie immer.
Madelyne war wie erstarrt und nachdem sie Judith ihre Hand weggezogen hatte, hatte sie nun ihre Hände sittsam um ihre Taille verschränkt. „Nun, Lord
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