Eine Zuflucht aus Rosen
einer Nonne weniger gleicht als jenes Prachtweib.“
„Ich selbst habe sie aus dem Kloster hergebracht“, erklärte Gavin ihm und in seine Stimme schlich sich ein etwas eisiger Unterton ein. „Sie steht unter dem Schutz des Königs.“
Ferrell runzelte da wieder die Stirn und sank dann wieder auf die Bank nieder, auf der er gesessen hatte. „Welch’ schändliche Vergeudung“, sagte er traurig und brachte seinen Becher an die Lippen und schlürfte. „Welch’ verflucht schändliche Vergeudung.“
Gavins Gedanken waren ein Echo jener Gedanken und er drehte sich ein bisschen, um einen letzten Blick auf Madelynes Tisch zu werfen. Seine momentane Erleichterung verschwand, als er Lord Reginald D’Orrais sah, der sich gerade lachend neben Madelyne setzte.
* * *
Es war himmlisch ... einfach himmlisch.
Madelyne seufzte und schob den Gedanken beiseite, dass dies – streng genommen – gewiss gotteslästerlich war, und schloss einfach die Augen. Kräftige Hände kneteten ihr den Schädel, arbeiteten sich durch ihre Locken und lösten langsam die zehn Zöpfe, die ihr seit Stunden die Kopfhaut schrecklich gespannt hatten. Der dumpfe Schmerz wurde zu Erleichterung und erneut seufzte sie, während sie den Kopf in den Händen ihrer Zofe ruhen ließ.
Trickys Geplapper strömte Madelyne mal ins Bewusstsein und dann wieder raus, genau wie ihre geschickten Finger ihr bürstend durch das lange Haar streiften. „...nie sah ich solche Speisen! Ich konnte kaum zwischen dem Hasen, dem Kapaun und der gebratenen Gans wählen ... und als sie die gefüllten Tauben auftischten, dachte ich, ich esse, bis ich platze!“ Sie griff über Madelyne hinweg nach vorne, nach einem Kamm aus Kirschholz mit Perlmutteinlagen an den Schnitzereien.
„Wie kommt Ihr zu einem so hübschen Kamm?“, fragte Madelyne neugierig. Der Kamm glitt ihr angenehm durch das Haar, über die Schulter und dann hinten an ihrem Rücken hinunter, bis über den Rand des Schemels hinaus, auf dem sie saß.
„Das war’n Geschenk“, erwiderte Tricky hochzufrieden, während sie ihren Rhythmus der langen, sicheren Kammbewegungen beibehielt. „Als Clem und ich ausgegangen waren, um etwas zu suchen, womit Ihr das morgendliche Fasten brechen könnt, kreuzte ein Händler unseren Weg, der seine Waren feilbot. Ich habe so sehnsuchtsvoll geschmachtet, dass er keine andere Wahl hatte, als ihn mir zu kaufen.“ Sie kicherte ganz mädchenhaft und dadurch etwas abgelenkt riss sie plötzlich unsanft an Madelynes Haaren. Sie erstarrte und streichelte die gereizte Stelle besorgt mit ihren Händen. „Ah, Mylady, vergebt mir, ich wollte Euch nichts tun.“
Madelyne lachte leise angesichts der Begeisterung ihrer Freundin. Seit sie das Kloster Lock Rose verlassen hatten, war ihr klar geworden, dass Patricka keinerlei Eignung für das Leben einer Nonne hatte ... noch war Madelyne sich sicher, ob sie das Zeug zu einer Zofe hatte. „Ihr habt mir nicht weh getan, Tricky, obgleich solche Unachtsamkeit in Zukunft schmerzen könnte. Nichtsdestotrotz: Ihr habt solche Zauberei an meinem Kopf vollbracht, dass ich Euch im Nu vergeben würde, selbst wenn Ihr mir Haare ausgerissen hättet.“ Sie seufzte und lächelte dabei, auf einmal in ganz ausgelassener Laune. „Ich werde daran denken, Euch in Zukunft nicht nach Euren Galanen zu fragen, während Ihr einen Kamm durch mein Haar zieht.“
„Galane! Ha!“ Tricky blieb der Kamm fast in einem Haarknoten stecken, aber sie erwischte sich gerade noch rechtzeitig dabei. „Man könnte Jube vielleicht einen solchen heißen, aber aus diesem miesepetrigen Clem mache ich mir überhaupt nichts. Ich will den Mann nur quälen, denn er tut nichts als herumstehen und mich finster anzuschauen. Ich glaube er nimmt gar Unterricht bei Lord Mal Verne.“
Madelyne spürte, wie sich ihr bei dieser offen ausgesprochenen Kritik die Augenbrauen hoben, aber sie konnte Tricky keinen Vorwurf machen, was die Wahrheit ihrer Bemerkungen anbelangte. Und wahrhaftig, sie hatte die Schwere des sauertöpfischen Blickes von Gavin heute Abend gespürt. Ihre Lippen wurden schmal, als sie sich daran erinnerte, dass sie es war, die Veranlassung hatte mit ihm wütend zu sein, und nicht andersherum. Trotz der Tatsache, dass ihr das Herz in den Hals gesprungen war, als sie sich umgedreht hatte und ihn erblickte, und trotz der immer noch allzu gewärtigen Erinnerung an seine Lippen, die von den ihren kosteten, wusste Madelyne, dass sie derlei flüchtigen Gefühlen nicht trauen
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