Eine Zuflucht aus Rosen
konnte. Sie konnte ihm nicht trauen.
Aus irgendeinem Grund schmerzte sie diese Erkenntnis mehr als die Tatsache, dass sie das Kloster verlassen hatte. Leere und Unbehagen ergriffen von ihr Besitz und hinten in der Kehle tat es ihr weh, als sie schluckte. Bevor sich die unerwarteten Tränen bilden konnten, stand sie auf und Tricky ließ den Kamm aus ihren Haaren gleiten. Während sie gegen diese Traurigkeit ankämpfte, ging Madelyne zu dem winzigen Kamin, ihre Augen nur auf die orangenen Flammen gerichtet. Peg hatte das Feuer entfacht und es brannte ganz ruhig in der kleinen Nische, während Peg selber in der Ecke auf einer Schlafstatt vor sich hin schnarchte.
„Ich glaube, Mylady hat sich einen eigenen Galan angelacht“, sagte Tricky listig, während sie ihren Kamm in einen kleinen Leinenbeutel schob. Sie zog an den Schnüren, um die Beutelöffnung zu schließen und blickte dann zu Madelyne.
„Was meint Ihr damit?“, fragte Maddie überrascht. Eine Wärme, die nicht von dem Feuer herrührte, brannte ihr im Gesicht. Sie faltete die Hände vor sich, setzte sich auf den Schemel in der Nähe des Kamins und sah dann zu ihrer Zofe hinüber.
„Lady Judith hatte schon Recht damit, als sie sagte, dass Ihr Aufmerksamkeit erregen würdet“, erwiderte Tricky, während sie sich mit dem Zusammenlegen von einer der Tuniken befasste, die Judith Madelyne ausgeliehen hatte. „Ich konnte sehen, wie viele Leute Euch anstarrten, Mylady–“
Madelyne beruhigte sich. „Das war nur Neugier, Tricky.“
„Von einigen, ja vielleicht. Aber der große Mann, der neben Euch saß. Der hatte mehr als nur Neugier im Gesicht.“ Sie sprach ganz nebenbei, während sie sich umdrehte, um eine Truhe zu öffnen, in der die anderen Tuniken verstaut waren.
Tricky konnte nicht ahnen, dass ihre so nebensächlich dahingesagten Worte Madelyne das Herz wie einen schweren Ball in den Magen sacken ließen. „Lord Reginald? Aber er...“ Sie ließ ihre Stimme da verstummen. Er war sehr aufmerksam gewesen, nachdem Lady Judith es ihm gestattet hatte, mit ihnen zu speisen, und er hatte seine weichen Lippen auf ihren Handrücken gedrückt, als er sich ihr vorstellte. Seine blauen Augen leuchteten warm und humorvoll, und sein Mund zuckte immer, stets bereit zu einem Lächeln, über dem markanten Kinn mit dem tiefen Grübchen. „Er wünschte nur einen Platz in der Nähe von einem seiner Bekannten zu finden“, fuhr sie entschlossen fort, als sie die Entschuldigung wiederholte, die er ihnen als Grund seiner Annäherung gegeben hatte.
„Mmm.“ Tricky fuhr fort mit ihrer Aufgabe, die Stoffballen und die anderen Materialien aufzuräumen, welche die Näherin dagelassen hatte. „Von hinten aus der Halle, wo Peg und ich gesessen haben, schien er mehr Zeit auf die Unterhaltung mit Euch, Mylady, zu verwenden als für irgendjemand anderen dort in der Nähe.“
Madelyne holte einmal tief Luft, um den Aufruhr in ihrem Magen zu beruhigen. „Ich habe nichts getan, um Lord Reginald zu ermutigen“, sagte sie zu ihrer Verteidigung, ohne sich zu fragen, warum sie das überhaupt tun musste – ganz besonders, warum sie das gegenüber ihrer Zofe tun musste. Aber bevor sie ihr als Zofe diente, war Tricky ihre Freundin gewesen und um die Wahrheit zu sagen, hatte Madelyne bis auf Judith sonst niemanden, dem sie sich anvertrauen könnte.
Und mit einem verzagten Herzen rief sie sich ihre recht kecken Handlungen ins Gedächtnis, als sie ihre Hände ganz sachte auf seinem Ärmel zu ruhen kommen ließ, während sie sich zu ihm vorbeugte, um eine Bemerkung über einen Jongleur nicht weit von ihnen zu machen, und das überaus strahlende Lächeln, mit dem sie ihn für seine eigenen Scherze belohnt hatte. Und sie erinnerte sich, wie der Atem ihr schneller kam, als Lord Reginald ihre Hand berührte oder ihr ein schmackhaftes Stückchen Wildbret anbot ... und wie ihr Pulsschlag schneller wurde, wenn er sie derart anlächelte.
Vielleicht hatte Tricky doch Recht. Madelyne biss sich auf die Unterlippe und streckte die Hand nach der Kette Rosenperlen für das Gebet, die ihr am Gürtel hingen. Heute Abend würde sie auf den Knien beten – als Buße für ihre koketten Taten – und sie würde den Herrn und seine Mutter anflehen, damit sie ihr die Kraft gaben, nicht vom rechten Weg abzukommen. „Führe mich nicht in Versuchung“, murmelte Madelyne, während ihre Finger über die Perlen glitten.
„Verzeihung, Mylady?“ Trickys Kopf tauchte jäh auf, von dort, wo sie gerade
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