Eine Zuflucht aus Rosen
einen abgeschiedenen Alkoven erreichten, wo er ihr Zeichen machte sich zu setzen.
„Ihr habt mich doch gewiss nicht in der Kapelle beim Gebet unterbrochen, um mich hierher zu führen?“, fragte Madelyne, während sie sich auf eine Holzbank niedersetzte. Ein Wandteppich hing an der Wand hoch über ihrem Kopf, der das Wappen König Heinrichs zeigte.
„Nein, ich wusste nicht, dass Ihr in der Kapelle wart. Törichtes Weib. Noch einmal: Dass Ihr ohne Schutz seid, so bald nach dem Angriff Eures Vaters auf Euch gestern! Bis ich Wort von Clem erhielt, dass Ihr seit gestern Abend verschwunden seid und dass Eure Zofe D’Orrais auf die Suche nach Euch geschickt hat – bis dahin wusste ich nicht, dass man Euch vermisste.“ Sein Gesicht war vor Verärgerung wieder ganz starr geworden. Er schien fortfahren zu wollen, aber Madelyne schien es an der Zeit ihn zu unterbrechen, bevor irgendjemand, der hier vorbeiging, seine wütenden Worte zu hören bekam.
„Ich fürchte mich nicht, wenn ich in einer Kapelle bin, sowie in der Gegenwart Gottes“, sagte sie zu ihm und strich sich das Kleid glatt, wobei ihr die schmutzigen Flecken vom Knien in der Kapelle auffielen. „Abgesehen davon und ganz praktisch betrachtet, war der Priester während meines gesamten Aufenthaltes dort zugegen, er ging, kurz bevor Lord Reginald eintraf. Ihr haltet mich doch sicherlich nicht für derartig töricht, Lord Gavin?“
„Ich bin erleichtert zu hören, dass Ihr nicht alleine wart“, entgegnete Gavin. „Aber ich muss es noch einmal sagen, dass es für Euch nicht sicher ist alleine umherzuwandern oder irgendwo an diesem Hof alleine zu sein. Euer Vater ist hier – hinter dem Rücken des Königs – und er ist ein gefährlicher und verzweifelter Mann. Ich kann Euch nicht beschützen, wenn Ihr selbst nicht Acht gebt.“
Madelyne sah ihm direkt in die Augen. „Ich habe den König gesehen, er hat mir meine Freiheit genommen und mir meinen Wunsch abgeschlagen, mein Leben Gott zu weihen, und daher habt Ihr keine weitere Veranlassung, Euch um meine Person zu bekümmern, Lord Mal Verne.“
„Ich bin angewiesen, Euch einen Ehemann zu finden, Mylady“, sagte Gavin zu ihr mit barscher Stimme.
Madelynes Augen blitzten bei dieser Ankündigung auf, aber er schaute sie nicht direkt an. „Ihr sollt einen Ehemann für mich finden?“, wiederholte sie leise. „Über was für ein besonderes Talent verfügt Ihr denn, dass man Euch dazu auserwählt hat?“
„Der König hat es mir aufgetragen – das ist das Talent, das ich habe“, entgegnete er ihr, seine Worte jetzt sanfter und sein Blick kehrte auch wieder zu ihrem Gesicht zurück. „Bis dahin, werde ich für Eure Sicherheit sorgen – und Euch dabei helfen, Euch am Hof zurechtzufinden und Euch einzuleben, jetzt da ihr – wie Ihr es so treffend formuliert habt – Eure Freiheit eingebüßt habt.“ Er fuhr sich mit der Hand durch das dichte Haar, riss mit den Fingern wüst an den Locken, so dass diese ihm wild hoch standen, was ihn noch furchteinflößender aussehen ließ. Seine Verärgerung schien mit dieser Geste zu verschwinden und seine nächsten Worte waren wieder sanft. „Mylady, um den Verlust Eurer Freiheit und der Verhinderung Eures Gelübdes tut es mir wahrhaftig Leid. Es war niemals meine Absicht Euch in eine solche Lage zu bringen.“
Sie betrachtete ihn einen kurzen Moment lang.
Zu seiner Verwunderung war sie nicht wütend. Nein, sie hatte es nunmehr hingenommen – und ihn auch – nach dieser Nacht des Gebets und dem Tag des Fastens. Nein, sie verspürte keinen Zorn mehr, was ihn betraf. Nur Enttäuschung, Traurigkeit und Unruhe – und tiefe Unzufriedenheit angesichts der Ausweglosigkeit ihrer Lage und dem Verlust ihrer Freiheit.
„Ich nehme Eure Entschuldigung an, Lord Mal Verne. Aber dieses Annehmen kommt mit der Gewissheit: Auch wenn Ihr meine missliche Lage bedauert, wenn Ihr die gleiche Wahl noch einmal treffen müsstet, so würde Eure Entscheidung die gleiche sein.“ Er setzte an etwas zu sagen, aber sie hob eine schmale, weiße Hand, um ihn davon abzuhalten. „Ich bitte Euch. Das ist die Art von Mann, der Ihr nun mal seid, Gavin, und es gibt nichts, was ich oder irgendjemand anderes tun könnte, um das zu ändern.“
„Und was für eine Art Mann wäre das?“, fuhr er sie an.
„Ein Mann der Ehre, des Rechts, der Rache ... und, ja, des Blutes... Das ist die Art von Mann, der Ihr seid. Und der Mann, der Ihr immer sein werdet. So wie ich“, seufzte sie, als sie auf ihre
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