Eine Zuflucht aus Rosen
zitternden Hände herabblickte, „immer eine Tochter des Wahnsinns, der Verzweiflung sein werde, der es vorherbestimmt ist Frieden und Ruhe zu suchen – während ich die ganze Zeit gegen eben jene Anlagen in meinem Blute ankämpfe.“
„Madelyne...“ Er streckte den Arm nach ihr aus, aber ließ ihn wieder fallen. „Fürwahr. Ihr habt Recht, Mylady. Ihr mögt zwar nicht geschult sein in den Gepflogenheiten der Politik oder des Hofes, aber Ihr seid eine allzu weise Frau, was das Wesen der Männer betrifft.“
Sechzehn
„Das Blut des Irrsinns fließt in ihren Adern, sagt man.“
„Alles, was sie will, ist das Gelübde ablegen und den Rest Ihres Lebens im Kloster zubringen. Welchem Mann stünde schon der Sinn nach einer solchen Frau als Gemahlin?“
„Das Edelfräulein muss das Antlitz eines Ackergauls haben, um nur die Einsamkeit zu wollen!“
Die hämischen Zungen waren schon eifrig am Werke, dachte Judith bei sich, wie sie da ganz sittsam in dem Zimmer saß, in dem Königin Eleonore ihre Hofdamen tagsüber versammelte. Judiths entspannte Körperhaltung und ihr gutmütiger Gesichtsausdruck verbargen die Wut und die Abscheu, die angesichts der wild wuchernden Bösartigkeiten um sie herum in ihr köchelten. Da sie wusste, wie selbstsüchtig und eitel viele von den Hofdamen Eleonores waren, hatte sie natürlich nichts anderes erwartet, aber derartige Worte fachten ihre Empörung nur weiter an.
Bevor Judith entscheiden konnte, ob es zum Nachteile Madelynes sein könnte, so bald schon öffentlich das Wort für sie zu ergreifen, schwang die Tür zu der großen Kammer nach innen auf, was einem jungen Pagen erlaubte einzutreten – sowie der eigentlichen Quelle dieses wilden Tratsches.
Judith, die sich absichtlich dafür entschieden hatte, vor Madelyne herzukommen, anstatt diese hierher zu begleiten, saß in der Nähe der Königin auf einem Sitzkissen, umringt von ein paar von Eleonores bevorzugten Hofdamen. Als sie sich in dem Raum umsah, sah sie diesen, wie auch Madelyne ihn wahrnehmen musste, die diese Welt zum ersten Male betrat: In leuchtenden Farben gekleidete Damen saßen in Grüppchen im Raume verteilt. Manche nähten an einer Stickerei, andere teilten sich einen Tisch mit Wein und Käse, wiederum andere saßen mit einer Laute da. Zwei Frauen schoben, klopften und zogen in einer Ecke an einem Webstuhl, wo sie neue Wandteppiche für die Große Halle anfertigten. Die Kammer war groß und hell mit all dem Sonnenlicht hier, denn an diesem warmen Tag waren die großen, rechteckigen Fenster nicht verhangen und ließen ein angenehmes Lüftchen durchwehen.
Sie ließ kurz ein Lächeln aufblitzen, als sie den Blick ihrer Kindheitsfreundin einfing, während Madelyne dem Pagen folgte, der ihr auf dem Weg zur Königin voranschritt. Sei stark, Madelyne.
„Lady Madelyne de Belgrume“, verkündete der Page.
Die Frauen, die über das Zimmer verstreut waren, verstummten da nach und nach und warfen scharfe, neugierige Blicke auf die Hofdame, die jetzt schweigend vor der Königin stand.
Judith wusste, dass Tricky all ihre List hatte aufbieten müssen, um Madelyne in angemessener Weise anzukleiden und ihr das Haar zu richten – prachtvoll bekleidet mit einem neuen Gewand, das sie vor wenigen Tagen bestellt hatten, mit ein paar Juwelen dazu, die Judith beigesteuert hatte, denn die Frau zog die schlichte Kleidung einer Nonne immer noch all diesem Putz vor. Aber in ihrem dunkelroten Bliaut, an den Ärmeln und den Hüften eng anliegend unter dem weiten, purpurfarbenen Übergewand sah Madelyne vom Scheitel bis zur Sohle aus, wie es ihrem jetzigen Stand entsprach, nämlich wie eine Hofdame und ein Mündel des Königs. Ihr dichtes schwarzes Haar war hoch auf ihrem Haupt eingewickelt und zu einem komplizierten Muster aus Zöpfen geschlungen worden, mit einem Goldnetz, das sich sowohl darüber spannte, wie auch darin eingewoben worden war. Auch ihre Lippen waren dunkelrot – vielleicht vom nervösen Kauen darauf, dachte Judith bei sich. Aber Madelynes schönes, vornehmes Gesicht war ganz gelassen, als sie anmutig vor Eleonore einen Knicks machte.
Was auch immer in ihr vorging, blieb hinter diesem friedvollen Antlitz gut verborgen.
„Ihr seid in meinen Diensten sehr willkommen“, sprach die Königin, die selbst eine überaus schöne Frau war – und auch klug genug, das wusste Judith, zu erkennen, dass dieser Neuzugang unter ihren Hofdamen mehr als nur einen kleinen Aufruhr verursachen würde. „Ihr kommt aus einem
Weitere Kostenlose Bücher