Eine Zuflucht aus Rosen
hatte sie – mit ihrer üppigen Schönheit und ihrem einladenden Lächeln – viele in Versuchung geführt und vom rechten Weg abgebracht. Sie hatte sich von ihrem ersten Gemahl scheiden lassen, dem König von Frankreich – ein so gottesfürchtiger Mann, wie Heinrich es sich niemals erhoffen könnte zu sein. Die Dirnenkönigin hatte Frauen angeführt, bei einer Farce von einem Kreuzzug. Bis ins Heilige Land und in Männergewänder gekleidet. Gerüchte besagten, dass sie und ihr Onkel miteinander Unzucht getrieben hätten, während sie mit Ludwig von Frankreich verheiratet gewesen war...
Wie ein Blitzschlag traf es ihn da und Fantin erstarrte. Der Gedanke schoss durch ihn hindurch und sein Atem wurde ganz schnell, aber sein Herzschlag ganz langsam. Das Zittern seiner Hände ließ nach, als die Gewissheit, das Wissen, ihn durchströmte.
Es lag so klar da, so vollkommen, so im Einklang mit seiner Berufung, dass Fantin wusste: Dies würde der letzte Schritt seines Werkes sein.
Endlich hatte sein Gott sich offenbart. Er wusste, warum er in der Nähe des Hofes bleiben musste. Und wie seine Tochter ihm behilflich sein würde. Und warum es ihm noch nicht gelungen war, sie zu entführen.
Seine Lippen verzogen sich. Mit einem hinreißend schönen Akt – und im Namen Gottes – würde er Mal Verne vernichten und die letzte Aufgabe seiner Reise auf sich nehmen, zu der man ihn ausgesandt hatte.
Und dann würde sich das Geheimnis des Steines ihm endlich offenbaren.
* * *
Der Steinboden unter ihren Knien war kalt und hart und Madelyne verlagerte erneut das Gewicht, um den Druck leichter werden zu lassen. Wie lange sie hier in der Kapelle gewesen war, wusste sie nicht ... aber die Lichtstrahlen, die erst ein dünner Mondstrahl durch die schmalen Fenster gewesen waren, waren nun kräftige, goldene Streifen, die über den unebenen Boden holperten.
Die Perlen in ihrer Hand waren ihr ein Trost, aber es gab wenig anderes, was ihr Linderung verschaffte. Vor ihr lag nur die Finsternis des Unbekannten, der Ungewissheit und der Furcht.
„Gütiger Vater“, betete sie jetzt wieder, wie sie es diese vergangenen paar Stunden getan hatte, „mein einziger Wunsch ist es, Euren Willen zu tun ... zu leben, um Euch zu dienen. In Eure Hände lege ich mein Schicksal ... ich bitte Euch, mir zu vergeben, weil ich Euch im Stich ließ, so wie ich das Gelübde für Euch nicht leistete...“
Madelynes Stimme wurde leiser, als Verzweiflung und Erschöpfung sie überkamen. Hier und jetzt, wie schon seit Stunden, gab es keine Antwort, die ihr die abgeschnürte Brust wieder erleichterte ... keine Gewissheit, dass ihre Gebete erhört worden waren ... keine Erfüllung in der Gewissheit, dass ihr Leben stark war und einen Sinn hatte.
Hatte Gott sich von ihr abgewandt, weil Er wusste, dass es ihr nicht gelungen war dem Gelübde zu folgen, das sie geschworen hatte abzulegen? Oder war das hier eine Prüfung, eine Herausforderung, der sie sich stellen musste? Und am Ende der Herausforderung, wenn sie sich dem stellte, würde es dann den Trost geben, dass sie Seinen Willen getan hatte – was auch immer Er verlangte?
Konnte es sein, dass Er von ihr wollte, dass sie heiratete? Einen Mann liebte und mit ihm die Ehe einging?
Ein leises Scharren kam ihr da ans Ohr und ein Stiefel samt Bein trat in das zum Boden gewandte Reich ihres Blickfelds. Sie hob den Kopf ohne Eile, schluckte die erste angstvolle Reaktion herunter, es sei ihr Vater, und schaute in das in den Schatten liegende Gesicht eines Mannes, der zu schlank war, um Gavin de Mal Verne zu sein.
„Lord Reginald“, sprach sie und gebot der Überraschung Einhalt, die sie hier ergriff. „Kommt Ihr hierher, um zu beten?“ Als er ihr seine Hand darreichte, nahm sie diese an und gestattete ihm, ihr auf die Beine zu helfen.
Er lächelte, ein sanfter Anflug von Zärtlichkeit. „Nein, Mylady, nur die Suche nach Euch führt mich hierher. Eure Zofe wies mir dabei den Weg ... sie beklagte sich, dass man Eure Abwesenheit bemerkt habe, aber sie hatte Angst das Zimmer zu verlassen, um Euch zu suchen.“
Madelyne hob überrascht die Augenbrauen. „Tricky hatte Angst, das Zimmer zu verlassen?“
„Ein großer, breit gebauter Mann wurde als Wache draußen vor der Tür postiert“, erklärte Reginald ihr, während er ihre Hand geschickt in seinem Arm unterhakte. „Es war nur, weil Eure Zofe nach mir schicken ließ, dass mir eine Audienz bei ihr gewährt wurde. Sie nannte ihn Clem und er gestattete mir,
Weitere Kostenlose Bücher