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Eine zweite Chance

Eine zweite Chance

Titel: Eine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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im Moment ein Gegengewicht zu der Verwirrung, die sie empfand. Etwas Gewohntes und Sicheres, obwohl die Winde auf dem Meer wenig Einfluss auf ihr Leben hatten und die Orte, wo sie wehten, ihr unbekannt waren. Svenska Högarna, Harstena, Måseskär. Sie wusste nicht einmal, wo sie lagen, aber in all den Jahren hatte sie sich über das Wetter dort informiert.
    Sie fingerte an Niklas’ Informationsbroschüre herum. Sich heimisch fühlen . Das war nichts, was sie unbedingt lesen wollte, und der Titel schreckte sie ab.
    Noch war sie nicht bereit.
    Die Wahrheit über Verner musste sie auch erst einmal verarbeiten, und all das Neue hatte zusammen eine solche Dimension erreicht, dass es schwer zu fassen war. Ein großer Teil ihres Lebens hatte aus Irrtümern bestanden, so viel war klar. Sie war von Geheimnissen umgeben gewesen, die ihr niemand hatte anvertrauen wollen. Mit einem Mal wurden jetzt alle Selbstverständlichkeiten von dem Neuen, Unerwünschten verdrängt. Und sie selbst war machtlos, es gab nichts, was sie tun konnte, damit alles wieder so wurde wie zuvor.
    Dieser Gedanke war es, der sie am meisten erschreckte.
    Sie erhob sich und ging zur Anrichte, wo die Weinflasche stand, die sie am Vorabend geöffnet hatten, ohne dazu zu kommen, sie auszutrinken. Als sie sich umdrehte, stand Susanna in der Küchentür, Anna-Karin holte noch ein Glas.
    »Willst du ein bisschen Wein?«
    »Nein danke.«
    Susanna setzte sich an den Küchentisch. Anna-Karin stellte das Radio ab, eine ganze Weile verging, ohne dass etwas gesagt wurde. Nur das Ticken von Helenas Küchenuhr durchlöcherte die Stille. Jetzt hatte das einst so beruhigende Geräusch einen anderen Klang bekommen – eine Erinnerung daran, dass Helga diese ganzen Jahre hier herumgegangen war und der verlorenen Zeit gelauscht hatte. Susanna nahm die Broschüre und ließ die Seiten unter dem Daumen durchgleiten. »Hast du sie schon gelesen?«
    Anna-Karin nippte am Wein. »Ich bin noch nicht dazu gekommen.«
    Susanna seufzte und sah zum Fenster. Anna-Karins Blick folgte dem ihren. Gott sei Dank war es so dunkel, dass man nicht sehen konnte, was dort draußen fehlte.
    Die Frage, die sie stellen wollte, schmerzte in ihrem Inneren, und dann war da noch die Schande darüber, dass man sie während all dieser Jahre ausgegrenzt hatte. Sie nahm einen Schluck Wein. »Warum habt ihr es mir nie erzählt?«
    »Du meinst das mit Niklas?«
    Anna-Karin nickte. Susanna legte die Broschüre weg. »Was denkst du selbst?«
    Das Gefühl der Ungerechtigkeit war so stark, dass sie nicht zugeben wollte, dass sie die Wahrheit kannte. Wer würde auf ihrer Seite bleiben, wenn sie selbst es nicht tat? Oder vielleicht fühlte sie sich auch nur traurig. Niklas hatte ihre Reaktion gefürchtet, und gestern Abend hatte sie jede seiner Befürchtungen bestätigt. »Es ist tatsächlich unbegreiflich, dass du es nicht verstanden hast. Er wohnt ja schon seit mehreren Jahren mit Jonas zusammen, und wir haben immer von ihnen als Paar gesprochen. Es war, als hättest du es nicht hören wollen. Jede Andeutung, die wir gemacht haben, hast du abgewehrt.«
    »Dann hättet ihr es doch geradeheraus sagen können?«
    »Niklas wollte das nicht. Er hat es einfach nicht gewagt, er wusste ja, wie du reagieren würdest. Deshalb hat er sich so lange ferngehalten und ist so selten hierher zu Besuch gekommen.«
    Anna-Karin stellte das Weinglas ab, ging zum Tisch und sank auf einen Stuhl. Nie war ihr in den Sinn gekommen, dass Niklas homosexuell sein könnte. Das kam in ihrer Gedankenwelt nicht vor. Sie kannte niemanden, der so war, und hatte immer geglaubt, es sei diesen Leuten deutlich anzumerken. Sie hatte sie ja im Fernsehen gesehen, wo es keinen Zweifel gab.
    Susanna seufzte. »Da wir jetzt endlich darüber sprechen … Es gibt eine Sache, die Niklas und ich nie an dir verstanden haben, Mama.« Sie verstummte, und als Anna-Karin den Kopf hob, sah sie, dass ihre Tochter zögerte fortzufahren.
    »Was habt ihr nicht verstanden?«
    »Wie du es schaffst, dich so sehr darum zu kümmern, was alle anderen die ganze Zeit machen. Das muss doch furchtbar anstrengend sein. Ist es nicht einfacher, wenn man sich auf seine eigenen Angelegenheiten konzentriert?«
    »Das tu ich doch nicht?«
    »Doch, es ist dir vielleicht selbst nicht bewusst, aber das tust du tatsächlich. Und an fast allem stimmt etwas nicht. Lasse und Lisbeth zum Beispiel, die ihr Haus renovieren wollen. Was hast du damit zu tun?«
    »Aber es ist doch ein

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