Eine zweite Chance
schaffst?«
Sie nickte, öffnete noch eine Packung mit Kuchen.
»Weißt du, das wird vielleicht der letzte Beerdigungskaffee sein, den ich hier im Hotel veranstalte.«
»Warum sollte es?«
»Ich muss es verkaufen und nach Stockholm ziehen.«
Sie nahm den Kuchenteller und ging. Anders blieb zurück und starrte auf die Tür zum Speisesaal, durch die sie verschwunden war. Er stand immer noch regungslos da, als sie wieder auftauchte.
»Du willst das Hotel verkaufen?«
Sie nahm den Blumenstrauß und ging zur Anrichte. Dort riss sie das Papier auf und breitete einen Armvoll weißer Lilien aus. »Emelie will nach Stockholm zurück. Sie wird nun jede zweite Woche bei Martin wohnen. Kannst du ein paar Vasen aus dem Regal da holen?«
Jetzt war sie die Geschäftigkeit in Person. Mit raschen Bewegungen schnitt sie die langen Stiele an. Er holte zwei Vasen und blieb dann stehen. Die Neuigkeit war so unerwartet gekommen.
»Willst du denn verkaufen?«
»Nein, aber ich will da sein, wo Emelie ist. Kann ich die bekommen?«
Sie nickte zu seinen Händen hin, und er erinnerte sich an seinen Auftrag und stellte die Vasen auf die Anrichte.
»Jede zweite Woche, wenn Emelie bei Martin wohnt, dann kannst du doch hier oben bleiben.«
»Wer sollte denn das Hotel führen, wenn ich in Stockholm bin? Nein, das funktioniert nicht. Außerdem will Martin seinen Anteil. Ich kann es mir weder leisten, ihn auszuzahlen, noch mir eine Wohnung in der Stadt zu nehmen, wenn ich nicht verkaufe.«
Sie steckte ein paar Lilien in jede Vase und ging mit ihnen in den Speisesaal.
Als die Autos eine Weile später auf dem Hof einfuhren, leuchteten wieder die Kerzen in der Glasveranda. Das Buffet war mit weißen Lilien geschmückt, und leise Musik von Vivaldi erfüllte den Raum. Helena und Anders standen im Entree und empfingen die Gäste, sie hatte ihn gebeten, an ihrer Seite zu sein. Erst kamen Lisbeth und Lasse und ihre erwachsenen Kinder, der Enkel schlief in einem karierten Kinderwagen. Nach ihnen kamen ein paar Dorfbewohner, danach der Pfarrer, der einer sehr alten Frau im Rollstuhl half. Sie wurde als Margit vorgestellt, Helgas frühere Mitschülerin und engste Freundin. Mit einem freundlichen Lächeln begrüßte Helena alle, die kamen, und Anders war davon beeindruckt, wie schnell sie sich wieder in den Griff bekommen hatte. Sie zeigte, wo die Mäntel abgelegt werden konnten, und begleitete die Gäste in den Speisesaal. Als der Strom verebbt war, ging Anders zur Eingangstür, um sie zu schließen. Er musste mit der Hand auf der Klinke innehalten, denn mitten auf dem Hof standen noch zwei Frauen. Die Ältere rauchte, die Jüngere gestikulierte eifrig und wollte hineingehen.
Anders begriff, wer sie waren, und ließ die Tür offen.
Im Speisesaal hatten die Gäste begonnen zuzugreifen. Einige hatten sich mit gehäuften Tellern um die wenigen Tische herum gruppiert, vorsichtige Gespräche füllten den Raum. Es war keine große Gruppe, die sich zu Helgas Beerdigung versammelt hatte. All die leeren Stühle ließen sie noch kleiner erscheinen. Das war alles, was von neunzig Jahren auf der Erde übrig geblieben war. Anders kam in den Sinn, dass es traurig sein musste, ein so einsames Leben geführt zu haben, aber im nächsten Moment erfolgte die Einsicht, dass der Ansturm auf seine eigene Beerdigung kaum einen größeren Andrang erzeugen würde. Außer denjenigen, die hofften, am Erbe beteiligt zu sein. Es war ein beklemmender Gedanke, aber nur zu wahr, doch er wurde zur Seite geschoben, als Anna-Karin ins Zimmer trat. Das Gespräch an Lisbeths und Lasses Tisch verstummte, und als der Enkel im Wagen wimmerte, erhoben sich beide und eilten zu ihm, offensichtlich dankbar für die Ablenkung. Anders sah sich nach Helena um. Sie war nicht mehr im Raum. Er fand sie in der Küche, über die Anrichte gebeugt.
»Wie fühlst du dich?«
Sie schüttelte den Kopf. In der Ferne hörte man das Geräusch einer Motorsäge.
»Geh ruhig nach draußen, ich übernehme das hier.«
»Bist du wirklich sicher?«
»Geh schon. Es ist ja alles in Ordnung.«
Die Tür zum Speisesaal wurde aufgestoßen, und Helena richtete sich sofort auf. Lisbeth steckte den Kopf herein. »Hallo, sagt mal, gibt es noch ein bisschen Milch?«
Helena drehte sich um und lächelte. »Selbstverständlich, ich kümmere mich darum.«
Lisbeth verschwand, und Helena sank zusammen.
»Geh jetzt hinauf.«
»Versprich, mich zu holen, wenn du Hilfe brauchst.«
»Ach, hör auf, was sollte schon
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