Eine zweite Chance
passieren?«
Er hatte gerade die aufgefüllte Milchkanne auf das Buffet gestellt, als er hörte, wie die Eingangstür geöffnet wurde. Erst glaubte er, es sei Helena, die hinausging, aber als er nachsah, traf er auf Verner. Er stand an der Tür und streifte sorgfältig die Gummistiefel an der Fußmatte ab. Die blaue Fleecejacke war mit Sägemehl bestreut, und unter dem Arm hatte er etwas, das Anders kannte – das Bild, das er auf dem Acker gemalt hatte.
»Hallo Verner.«
»Hallo, sind Sie noch auf den Beinen? Es freut mich, dass Sie noch leben und bei guter Gesundheit sind.«
Anders lächelte, aber Verner sah nicht aus, als würde er scherzen.
»Hören Sie, Verner, wir haben heute einen Beerdigungskaffee, und das Hotel ist eigentlich geschlossen. Aber ich lade Sie gern auf einen Kaffee in der Küche ein, wenn Sie wollen.«
»Nein, danke, ich bin nicht wegen des Kaffees hier. Er nahm die Kappe ab und strich sich mit der Hand über den Kopf. »Ich bin hier, um einige von den Gästen zu treffen.«
»Aha, aber … ich glaube nicht, dass es die richtige Gelegenheit ist.«
Verner hielt inne und warf ihm einen erstaunten Blick zu. »Das kommt doch darauf an, was für ein Anliegen ich habe.«
Und bevor Anders ihn aufhalten konnte, ging er in den Speisesaal hinein. Dort wurde es so still, als hätte die Hauptperson selbst das Zimmer betreten. Anders erkannte sofort, dass er eine Art Verantwortung für das trug, was geschah, hatte aber keine Ahnung, wie er damit umgehen sollte. Da ihm nichts anderes einfiel, streckte er die Hand aus, um ihn vorzustellen. »Äh, ja, das ist Verner.«
Verner sah ihn mit einem erstaunten Lächeln an. Dann richtete er den Blick auf einen Punkt neben seinem Kopf und grinste zufrieden.
Anna-Karin sprang vom Stuhl auf. »Sie sind hier nicht willkommen, das ist eine private Veranstaltung.«
»Ich will nicht lange stören, solche Festessen sind nie mein Ding gewesen, ich will nur vorbeikommen und erzählen, dass ich das Problem gelöst habe, das ihr mit dem Erbe habt.«
Anna-Karin richtete einen wütenden Blick auf Lisbeth und Lasse, als ob sie verantwortlich für dieses hässliche Spiel wären. Aber Lasse zuckte nur die Achseln und sah genauso verwirrt aus wie die anderen.
Verner setzte wieder an. »Diese Kastanie, um die ihr euch gestritten habt, die ist jetzt weg, sodass ihr das Grundstück mitten hindurch teilen könnt.«
Anna-Karins Lippen bewegten sich, aber es kamen keine Worte. Wie auf ein stummes Kommando standen alle auf und liefen zur Eingangstür. Alle außer dem Pfarrer und Margit, die in ihrem Rollstuhl sitzen blieb. Anders hörte ein Geheul von der Veranda. Im nächsten Moment kamen alle wieder herein und kehrten zu den Plätzen zurück, die sie gerade verlassen hatten. Alle außer Anna-Karin, die auf der Schwelle stehen blieb.
Anders blickte zur Decke. Versprich, mich zu holen, wenn du Hilfe brauchst.
Verner nahm das Bild und streckte es Anna-Karin entgegen. »Das wollte ich als eine kleine Erinnerung überreichen.«
Aus Lasses Richtung kam ein sonderbarer Laut. Erst klang es wie zurückgehaltenes Weinen, aber als er es nicht mehr unterdrücken konnte, lehnte er sich zurück und lachte. Ein Lachen, so befreit und aufrichtig, dass es Lisbeth ansteckte, die es zu dämpfen vermochte, indem sie die Hand gegen den Mund presste. Es zischten nur ein paar Stöße durch die Nase.
»Sie verdammter Narr! Begreifen Sie nicht, was Sie angerichtet haben?« Alle Blicke kehrten zu Anna-Karin zurück. »Sie müssen hier weg, verstehen Sie, ich werde die Polizei rufen und dafür sorgen, dass Sie verschwinden, niemand will Sie hier haben, und wenn es das Letzte ist, was ich tue …«
»Jetzt hältst du mal den Schnabel, Anna-Karin.«
Alle sahen sich verwirrt um, erstaunt darüber, wer gesprochen hatte. Geführt vom verdutzten Blick des Pfarrers, der der Unruhestifterin am nächsten saß, wandte sich das Interesse jetzt Margit zu. Zart wie ein Vogel und mit von den Jahren gebeugtem Rücken saß sie zusammengesunken im Rollstuhl, die stahlblauen Augen auf Anna-Karin gerichtet. »Was man einmal gesät hat, hat man auch das Recht zu ernten.«
Verner senkte den Blick und schaute zu Boden. Die Übrigen sahen sich im Zimmer um, auf der Suche nach einer Erklärung. Margit streckte die Hand nach ihrer Handtasche aus, und der Pfarrer half ihr, sie zu öffnen.
»Ich habe hier einen Brief für dich, Verner, ich habe deiner Mutter versprochen, ihn dir zu geben, wenn sie von uns gegangen
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