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Eine zweite Chance

Eine zweite Chance

Titel: Eine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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als er fragte: »Sagen Sie, wie heißt denn diese Person?«
    »Das ist ein Original, er wohnt ein Stück weit im Wald. Er ist völlig harmlos, hat aber seine kleinen Eigenheiten. Verner heißt er.«
    Die Tür ging zu, und sie blieb auf der Treppe stehen. Plötzlich gab es ein bisschen Zeit, mit der sie nichts anzufangen wusste. Sie sah zu der Tür ihrer Wohnung und dachte kurz, dass sie Emelie fragen sollte, ob sie zurück in den Gesellschaftsraum kommen wolle, hatte aber nicht die Kraft, wieder abgewiesen zu werden. Manchmal war es einfacher, wenn jede für sich war, wenn es für das nächste Mal Hoffnung auf eine Veränderung gab.
    Sie seufzte und ging weiter hinunter.
    Im Gesellschaftszimmer blies sie die Kerzen aus und räumte die Tassen weg, nach dieser besonderen Stunde, zu der es nicht gekommen war.

Kapitel 9
    In Zimmer Nummer zwei lag Anders auf dem Rücken und starrte an die Decke, unfähig, wieder einzuschlafen, nachdem die Frau von der Rezeption ihn aus seinem traumlosen Schlaf gerissen hatte. Sobald er das Zimmer betreten hatte, hatte er eine Schlaftablette genommen, sich ausgezogen und war eingeschlafen, aber nachdem er geweckt worden war, wirkte die Tablette offenbar nicht mehr. Der Schlaf hatte sich im letzten Halbjahr zu einer Atempause entwickelt, dem einzigen Zustand, in dem er nicht litt. Nachdem er dieses Versteck entdeckt hatte, brauchte er Tabletten, um dorthin zu gelangen, als würde sein eigenes Bewusstsein gegen ihn arbeiten.
    Die Vorhänge waren zugezogen. Das Frühlingslicht drang durch die Ritzen, genauso unwillkommen wie ein Einbrecher. Es kam aus der Außenwelt. Die ohne ihn weiterging. Er hörte die eindringlichen Lockrufe der Vögel wie Fanfaren über die Herrlichkeit der Welt. Ein Gruß davon, dass es Zeit war, sich zu freuen, da der Frühling gekommen war, um allem neues Leben zu schenken.
    Für ihn nichts anderes als eine endgültige Bestätigung.
    Das Gefühl, alles sei sinnlos, war in die schwärzeste Trostlosigkeit übergegangen. Ein Schmerz, für den es keine Heilung gab. Zeit war vergeudet worden, in Erwartung von etwas, das nie kommen würde. Er konnte es nicht länger ertragen. Alles war ein vergeblicher Versuch, die Zeit hinauszuzögern, die er doch nicht haben wollte.
    Jetzt war etwas endgültig zerbrochen.
    Ein Tunnel hatte sich zum Mittelpunkt der Trauer geöffnet. Unfähig zum Widerstand wurde er direkt in ihre Dunkelheit hineingezogen. Hinein in alles, was er verdrängt hatte, alles, wofür er im Lauf der Jahre keine Zeit hatte haben wollen, es nur zu sortieren und wegzuräumen. Sein Bewusstsein hatte sich in einen schadenfrohen Henker verwandelt, und jetzt war er gezwungen, innezuhalten und sich die Trauer einzugestehen. Die Trauer, vor der er immer geflüchtet war.
    Aber man kann nie schnell genug laufen, wenn der Gejagte zugleich der Jäger ist.
    Nie zuvor in seinem Leben hatte er sich so einsam gefühlt. Er befand sich in einem Hotelzimmer, ohne Möglichkeit, von dort wegzukommen. In seinem Zustand würde er es unmöglich schaffen, Auto zu fahren. Die Etagenwohnung, die er als unerträglichen Käfig empfunden hatte, erschien plötzlich wie eine Lebensnotwendigkeit. Er wollte heim, weg, weiter, wohin auch immer, irgendwohin, wo es weniger wehtat. Jemand musste ihn aus diesem geschlossenen Raum retten, aus dem es nicht mehr möglich war zu entkommen. Wen gab es, der ihm helfen konnte? Wer stand ihm so nahe, dass er es wagen würde, sich ihm in seinem Zustand zu offenbaren? Anders Strandberg, ein respektierter Unternehmensstratege und legendärer Finanzmann – jetzt ein Jammerlappen, der jegliche Selbstkontrolle verloren hatte. In Gedanken ging er all die sorgsam geknüpften Kontakte durch, lauter einflussreiche Personen, die jedoch für andere Zwecke da waren, als dieser Augenblick es verlangte.
    In dem Leben, das er geführt hatte, hatte er diese Art von Beziehungen nicht gebraucht.
    Mit neun Jahren hatte er erkannt, welche Gefahren es in sich barg, wenn man mit jemand anderem rechnete als sich selbst.
    Ein Monat war vergangen, seit sie ins Krankenhaus eingewiesen worden war und sein Zuhause sich in einen fremden Ort verwandelt hatte. Für jemanden, der von außen kam, schien sicher alles wie immer, wenn man davon absah, was fehlte. Wie etwa Seife am Waschbecken und Haushaltspapier in der Küche. Es war ein bisschen unordentlicher, und manchmal gab es keine saubere Kleidung, aber im Großen und Ganzen sah es aus wie früher, obwohl letztlich alles anders geworden

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