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Eine zweite Chance

Eine zweite Chance

Titel: Eine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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hinterherlaufen, um Verzeihung bitten, sich vergewissern, dass Anna-Karin sie immer noch gern hatte.
    Dass alles so blieb wie zuvor.
    Die andere Hälfte war fest entschlossen, empfand eine schwindelerregende Erleichterung darüber, endlich zu Wort gekommen zu sein. Sie lehnte den Kopf in die Hände, wünschte, sie könnte mit jemandem reden. Aber die Person, auf die sie in der letzten Zeit angewiesen gewesen war, hatte gerade ihr Haus verlassen. Jetzt stand sie allein da, ihr Leben schien ihr immer mehr zu entgleiten. Durch das Fenster sah sie Anna-Karin zu ihrem umstrittenen Hof hin laufen.
    »Ja, Helena, ist es nicht das eine, dann ist es das andere.« Verner hatte die Küche betreten. Sie wusste, dass er jedes Wort, das gesagt worden war, gehört haben musste, hatte aber weder die Kraft noch die Lust, etwas zu erklären. Auf der anderen Seite der Straße sah sie Anna-Karin in ihrem Haus verschwinden. »Es ist einfacher mit Tieren und Pflanzen, die machen nicht so verdammt viele Schwierigkeiten. Aber wir Menschen meinen, mal von dem einen und mal von dem anderen betroffen zu sein.« Sie wollte, dass er ging, schaffte es nicht, höflich zu sein. Immerhin war er es, der das Chaos ausgelöst hatte, auch wenn er nur der letzte Tropfen gewesen war.
    »Sehen Sie, es gibt so viele traurige Menschen. Wir sind die einzigen Geschöpfe, die mit dem Vorzug geboren sind, weinen zu können, trotzdem ziehen viele es vor, zu leben wie in einem verschlossenen Dampfkochtopf. Entweder endet es mit einer Explosion, oder man muss sich in seiner Bitterkeit verstecken. Schauen Sie, sehen Sie den Elch?«
    Auf dem Feld drüben am Wald stand eine prächtige Elchkuh. Ganz nah am Waldrand, als zögere sie angesichts des kahlen, ungeschützten Terrains. Langsam ging sie über das Feld und blieb an der Einfahrt des Hotels stehen. Schade, dass keine Gäste da waren, die das Schauspiel verfolgen konnten, dachte Helena, viele kamen in der Hoffnung, gerade so etwas zu sehen.
    »Es sind wenige, die begreifen, dass man selbst entscheidet, ob man Weinessig werden will oder ein Jahrgangswein.«
    Das große Tier wurde von einem Auto aufgeschreckt und lief schnell zurück zum Wald. Helena war nicht empfänglich für eine Analyse von Anna-Karins Verhalten. Und für die Antworten auf die Fragen, die sie Verner hatte stellen wollen, gab es keinen Platz mehr. Das musste bis zu einem andern Mal warten. Sie stand auf, kraftlos sowohl in den Beinen wie innerlich. »Wissen Sie, wer sie ist?«
    »Wer?« Die Frage überraschte ihn.
    »Sie, von der Sie reden, die gerade hier war.«
    Er sah sie mit einem Gesichtsausdruck an, den sie schwer deuten konnte. »Ach so, die.«
    »Das war Helgas Nichte. Ihre neue Vermieterin.«
    »Ich weiß. Und das wird vielleicht nicht so lustig.«
    »Nein, Verner, das wird es wohl nicht, fürchte ich.«
    Verner seufzte. »Aber sie hat wohl das Ihre zu schleppen wie wir anderen auch.«
    Sie gingen in die Diele. Verner legte die Hand auf die Klinke. »Ich möchte mich bedanken, dass ich an den Computer durfte. Und dafür, dass Sie mir das ganze Hotel zeigen wollten.«
    »Das ist nicht der Rede wert. Sie wissen, wo er steht, falls Sie ihn wieder brauchen.«
    Er lächelte ein bisschen, aber Helena fand, dass er traurig aussah. Als wollte er etwas sagen, zögerte aber. Er trat auf die Treppe hinaus. »Bis dann, Helena, und viel Glück.«
    Sie schloss die Tür und lehnte die Stirn an den Türrahmen. Von Müdigkeit überwältigt, ging sie zurück und setzte sich. Alles befand sich in Auflösung, halb und entgleitend, unterwegs zu etwas, was sie nicht kannte. Sie wollte etwas, woran sie sich festhalten konnte. Etwas Unveränderliches, auf das man sich verlassen konnte. Stattdessen ging sie wie auf Sumpfland, und alles, was sie befürchtet hatte, hatte sich angesammelt.
    Sie rieb sich die Augen, hielt aber inne, als sie sich an die verflixte Mascara erinnerte.
    Hätte es nur jemanden gegeben, den sie anrufen könnte. Jemanden, der ihr zuhören und Ratschläge geben würde. Ihr Freundeskreis war seit langem zerstreut. Sie hatte keinen Einzigen von ihren alten Freunden angerufen, seit Martin sie verlassen hatte. Die Scham hatte eine Mauer gebildet. Sie wusste nicht, wer Martins Seite gewählt und vielleicht angefangen hatte, mit der Neuen zu verkehren. Jedenfalls hatte keiner etwas von sich hören lassen.
    Mit ihrer Schwester war es, wie es war. Sie war dem Weg ihrer Mutter gefolgt, hatte also sozusagen den Staffelstab von ihr übernommen, aber

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