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Eine zweite Chance

Eine zweite Chance

Titel: Eine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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wenigstens hatte sie keine Kinder. Gekünstelt und verlogen war der Kontakt aufrechterhalten worden, bis ihre Mutter schließlich starb. Als sie nicht mehr da war, gab es keinen Grund, weiter in Verbindung zu bleiben. Nur einmal während der vergangenen zehn Jahre hatten sie sich gesprochen. Da hatte die Schwester angerufen und Geld leihen wollen.
    Sie seufzte tief und beugte sich über den Tisch. Sie sollte gehen und sich ausruhen. Die Arme ausgestreckt, schloss sie die Augen, und gleich darauf schlief sie tief.

Kapitel 14
    Nachdem Anders noch eine Weile im Halbschlaf vor sich hingedämmert hatte, fiel ihm wieder ein, was letzte Nacht geschehen war. Reue über den Entschluss empfand er keine, im Gegenteil, er hatte das Gefühl, Platz für etwas Neues geschaffen zu haben. Was er jedoch sehr sonderbar fand, war die Art, wie er geantwortet hatte. Es war, als sei der Entschluss, von einem Ort in seinem Bewusstsein gekommen, den er kaum kannte. Anders Strandberg als Maler. Ein Glück, dass hier niemand der Wirtschaftszeitung Dagens Industri einen Tipp geben konnte.
    Gerade das war so verlockend gewesen. Dass er befreit von jeglicher vorgefasster Meinung machen konnte, was er wollte. Er war für einen Monat vollkommen frei und würde sich das Leben eines anderen ausborgen können.
    Als er aufstand, war er voller Tatendrang. Er wurde erwartet. Ein so entscheidender Unterschied gegenüber all diesen Morgen, an denen er ohne Ziel aufgewacht war. Nicht einmal die Steifheit, die er nach dem Unfall immer noch empfand, konnte ihm die Laune verderben.
    Doch sein Entschluss verlangte auch gewisse praktische Maßnahmen. Am wichtigsten war es, dass er sich Kleidung besorgte. In der kleinen Reisetasche, die er dabeigehabt hatte, war die saubere Wäsche bereits aufgebraucht. Normalerweise hätte Anders Strandberg nur eine Einkaufsliste an sein Büro mailen müssen. Er hatte immer noch vier Angestellte, die sein Vermögen verwalteten, und gewöhnlich spannte er sie für allerlei Aufgaben ein. Diesmal aber nicht. Den kommenden Monat würde er inkognito leben. Verriet er seinen Aufenthaltsort, würde die Magie verloren gehen. Er wollte niemandem von seinem Vorhaben berichten. Und somit blieb ihm nichts anderes übrig, als in einen Laden zu gehen oder im Internet einzukaufen. Er zog Letzteres vor, und mithilfe seines iPhones bestellte er, was er brauchte. Die Adresse des Hotels fand er in der Informationsmappe auf dem Sekretär. Als er fertig war, stellte er das Handy ab, fest entschlossen, es ausgeschaltet zu lassen, solange seine Schonfrist noch dauerte.
    Im Haus war es still. Die Zimmer im Erdgeschoss waren verlassen und Helena nirgendwo zu sehen. Er ging zur Rezeption. Da er jetzt zum Personal gehörte, wollte er nicht die kleine Messingglocke auf der Theke benutzen. Er blätterte in ein paar Touristenbroschüren und las die Infoblätter an einer Pinnwand, schaute sich die Naturfotografien an und spähte in den Speisesaal. Als nichts geschah, ging er zur offenen Tür hinter der Rezeptionstheke. Eine Küche, ging ihm durch den Kopf, bevor er Helena über den Tisch gebeugt sah. Der Kopf ruhte in den Händen, das Gesicht war in seine Richtung gedreht. Dass sie schlief, war offensichtlich. Ein Speichelfaden lief von ihrem Mund auf den Tisch herab, wo er sich zu einer kleinen Pfütze gesammelt hatte.
    Für eine Weile stand er ratlos da. Sie wirkte in gewisser Weise ausgeliefert, wie sie dort lag, der Anblick brachte ihn dazu, umkehren zu wollen. Er befürchtete, dass sie sich genieren würde, wenn sie aufwachte. So leise wie möglich schlich er zurück zur Rezeption, räusperte sich vernehmlich und wartete eine Weile, bevor er ihren Namen rief. Sogleich hörte man das Scharren von Stuhlbeinen, und kurz darauf tauchte sie in der Tür auf, mit verwirrtem Gesichtsausdruck und einem Abdruck auf der linken Wange. Für einen Augenblick schien sie sich nicht zu erinnern, wer er war.
    »Entschuldigung, habe ich dich geweckt?«
    »Was, ja, nein, ich hab nur …« Sie rieb sich das Gesicht, und danach hatte sie einen schwarzen Rand unter ihren Augen. »Du liebe Güte, ich glaube, ich bin eingeschlafen. Komm, es gibt Frühstück.«
    Er ging um die Rezeptionstheke herum und folgte ihr in die Küche.
    Während er frühstückte, entschuldigte sich Helena wieder und wieder für den lausigen Stundenlohn, den sie anbieten konnte. Obwohl er versicherte, er würde genügen, fuhr sie fort, und ihm ging durch den Kopf, dass sie kein geschickter

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