Eine zweite Chance
zurückzuziehen, aber wie wir es auch anstellen, ist es falsch. Wir sind eine Voraussetzung dafür, dass Anna-Karin weiter hier wohnen kann, trotzdem bekommen wir nur Vorwürfe von ihr zu hören. Entschuldigung, Lasse, aber dieser verdammte Erbhof ist wie ein Gefängnis.« Lasse sah hinunter auf den Tisch, und Lisbeth fuhr fort. »Es ist nicht so, dass wir verlangen wollen, dass sie uns auszahlen soll, wir wissen, dass sie das nicht kann. Aber es ist schlimm genug, wenn wir wegziehen, sie kann sich ja nicht einmal ein eigenes Auto leisten.«
Man hörte Schritte auf der Treppe, und alle Blicke richteten sich auf die Rezeption. Einen Moment später betrat Anders die Küche. Mit nassen Haaren, in Jeans und einem gestreiften Hemd mit deutlichen Falten von der Verpackung, in der es eben noch gesteckt haben musste. Helena ahnte das Erstaunen, das sein Auftritt weckte, sowohl am Tisch wie in der Tür. Aus dem Augenwinkel fing sie den Blick zwischen Lisbeth und Lasse auf.
»Das ist Anders, der mir dabei hilft, den Stall zu streichen, und das sind Lisbeth und Lasse, die auf dem Hof gegenüber der Straße wohnen.«
Anders ging zum Tisch hin, und die Gäste standen auf und gaben ihm die Hand.
»Hallo, Anders heiße ich, sehr erfreut.«
»Wir sind sehr froh, dass Helena endlich etwas Hilfe bekommen hat. Willkommen im Dorf.«
»Danke.«
»Wir sind nur kurz herübergekommen, um etwas mit Helena zu besprechen.«
Anders machte eine unsichere Bewegung zur Tür hin. »Ich kann hinaufgehen und warten, wenn ihr unter euch bleiben wollt.«
»Nein, nein, setzen Sie sich doch.«
Helena war dankbar, dass Lisbeth ihr Dilemma gelöst hatte. Alle setzten sich wieder, Anders auf den einzigen Stuhl, der noch frei war.
»Wir haben über Lasses große Schwester Anna-Karin gesprochen. Wir teilen den Erbhof mit ihr, und, ja, es hat sich als schwieriger erwiesen, als wir dachten. Helena kennt sie inzwischen etwas besser als wir.«
Helena warf Anders einen kurzen Blick zu.
»Eigentlich sind wir gekommen, um zu fragen, ob Helena vielleicht mit ihr reden könnte. Wir hatten gehofft, das Treffen mit dieser Anwältin würde etwas bringen, aber das hat es nicht, ganz im Gegenteil. Ich dachte, wenn ich Kurse in meiner Töpferwerkstatt gebe, könnten die Leute ja hier im Hotel wohnen. Das müsste doch gut für uns alle sein, sogar für Anna-Karin, die hier ja arbeitet. Wir sind bereit, einen letzten Versuch zu machen, aber dann muss sie auch zu Zugeständnissen bereit sein.«
Helena seufzte. »Ich glaube leider nicht, dass es helfen würde, wenn ich mit ihr rede. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob sie noch für mich arbeiten will.«
Diese Auskunft traf auf Bestürzung. »Was sagst du da? Warum denn nicht?«
»Wir sind heute Morgen ein bisschen aneinandergeraten, und sie war verärgert, als sie von hier wegging.«
Wieder schnaubte Lasse. »Aha, darf man fragen, worum es ging?«
Die Unruhe, die sich gelegt hatte, flammte wieder auf. Noch einmal musste sie Stellung zu Verner beziehen, ohne zu wissen, wie es ankommen würde. Diesmal verließ sie der Mut. »Ach, das war nur eine Lappalie.«
Lisbeth schüttelte den Kopf. »Das erklärt, warum sie den Beerdigungskaffee im Gemeindehaus veranstalten wollte. Aber Lasse und ich möchten, dass er hier im Hotel stattfindet, und das macht zwei gegen einen.« Sie wandte sich Anders zu. »Es geht um Lasses Tante, die gestorben ist. Die Beerdigung ist am Freitag um zwei Uhr, und das wollte ich dich auch fragen, Helena. Ginge es gegen drei Uhr?«
»Das ist in Ordnung. Wie viele werden es ungefähr?«
»Fünfzehn, zwanzig, nehmen wir an. Es ist schwer zu sagen, wie viele Dorfbewohner kommen, die meisten, die Helga kannten, sind ja schon verstorben.«
»Wenn es viele werden, brauche ich ein bisschen Hilfe beim Servieren. Gewöhnlich springt Anna-Karin ja ein.«
»Ich kann helfen.« Alle Augen richteten sich auf Anders. Als keiner etwas sagte, hoben sich seine Augenbrauen, und er breitete die Hände aus. »Was ist? Wie schwierig kann das sein?«
Helenas Blick schweifte über die Gäste, sie erhaschte einen verschmitzten Blick des Einverständnisses, und dass sie errötete, machte die Sache nicht besser.
Lasse schlug sich mit den Händen auf die Schenkel. »Nun, wir wollen wieder gehen, damit ihr in Ruhe kochen könnt. Aber nun wisst ihr wenigstens, wie die Dinge stehen.«
Das Wort »ihr« bestätigte für Helena das, was sie gerade flüchtig zu sehen geglaubt hatte. Es störte sie, da sie schon als
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