Eines Abends in Paris
ein Rennfahrer und dann so langweilig? Ich sage euch, ich bin fast gestorben vor Langeweile.«
Männer, mit denen die eigenwillige Schauspielerin wirklich zusammen war, nannte sie eigenartigerweise nie chéri . Diese Auserwählten bekamen Namen wie mon lion oder mon petit tigre. Ihr neuer Tiger war ein Großgrundbesitzer aus Texas, der eigentlich Fred Parker hieß.
Meinen Namen hatte sie sich komischerweise gemerkt.
»Alain«, sagte sie, »erzählen Sie uns einen Schwank aus Ihrem Leben.« Sie amüsierte sich köstlich darüber, dass Allan Wood meinen Namen immer wieder verkehrt aussprach, und liebte es, ihn darauf hinzuweisen. »Es heißt Alain, nicht Alläng«, korrigierte sie den Regisseur. »Aber das habe ich doch gerade gesagt: Alläng«, entgegnete dieser jedes Mal und zog in gutmütigem Erstaunen die Augenbrauen in die Höhe. »Alläng – peng-peng!« Solène stieß mich in die Seite, und wir lachten, bis uns die Tränen übers Gesicht liefen.
Allan Wood lachte mit. Er hatte einen großartigen Humor und gehörte zu den beneidenswerten Menschen, die über sich selbst lachen können. Das hatte ich schon bemerkt, als die Vorspeise serviert wurde. Allan hatte sich oeuf cocotte aus der riesigen Speisekarte ausgesucht. »OEuf cocotte – das klingt irgendwie sexy«, hatte er gemeint und sich keine halbe Stunde später entsetzt über seinen Teller gebeugt, auf dem ein Schälchen stand, in dem halbrohe Eier und zerstückelte Pilze in einer braunen schleimigen Sauce schwammen. »Grundgütiger, was ist das!? «, hatte er ausgerufen und misstrauisch auf den warmen Glibber gestarrt, dem man gemeinhin eine potenzsteigernde Wirkung nachsagt. »Hat das schon eine andere Gast vor mich im Mund gehabt? Meine Gute, das wäre nicht nötig gewesen. Ich bin zwar alt, aber meine Zähne sind noch gut in der Schuss!«
»So was isst man, wenn man noch etwas vorhat, chéri «, klärte ihn Solène auf, und um ihre Mundwinkel zuckte es verdächtig.
»Kaum zu glauben«, sagte Allan kopfschüttelnd, tunkte todesmutig ein großes Stück Baguette in die Eier der Kokotte und kaute vorsichtig darauf herum. »Interessant«, sagte er und nickte ein paar Mal. »Schmeckt interessant. Aber fried eggs, sunny side up sind mir doch irgendwie lieber.« Er spülte den Glibber kurzerhand mit einem großen Schluck Rotwein herunter, warf seine Serviette auf den Teller und sah mich an. »Jetzt freue ich mich auf mein Steak. Aber vorher haben wir beide noch etwas zu besprechen.«
Mit diesem Satz kam Allan Wood sehr rasch zum eigentlichen Grund unseres Essens, und Solène, die alles Geschäftliche »furchtbar langweilig« fand, erhob sich und griff nach ihrem schwarzen Lacktäschchen, um sich ein wenig frisch zu machen, wie sie sagte.
Noch bevor sie zurückkehrte, waren die wesentlichen Dinge geklärt. Selbst wenn ich vorher noch Bedenken gehabt hätte, mein Kino für die Dreharbeiten zu Zärtliche Gedanken an Paris zur Verfügung zu stellen, wären diese schnell zerstreut gewesen – Allan Woods einnehmendes Wesen und die nicht unerhebliche Summe, die der Regisseur mir für meine Unannehmlichkeiten und die Tatsache, dass ich das Cinéma Paradis für eine Woche schließen musste, in Aussicht stellte, waren einfach zu überzeugend. »Eine Woche sollte reichen, um die paar Szenen in den Kasten zu kriegen«, sagte er und es klang so harmlos und einfach.
Als wir gut gelaunt auf unser »gemeinsames Projekt« anstießen und Allan Wood mir erklärte, dass er in drei Wochen mit den Dreharbeiten beginnen wolle, ahnte ich noch nicht, was das für mein kleines Kino bedeuten sollte, und vor allem für mich. Ich ahnte absolut nichts von den Aufregungen der nächsten Wochen. Von meiner Verzweiflung. Meiner Hoffnung. Und von diesem ganzen auf seltsamen Wegen verschlungenen Durcheinander, an dessen Anfang eine kleine traurige Geschichte stand, die sich viele Jahre zuvor in Paris ereignet hatte.
Während unsere Hauptspeise serviert wurde und ich Allan Wood zuhörte, der von seinem neuen Film erzählte, überlegte ich, was Onkel Bernard wohl dazu gesagt hätte? Auch wenn Zärtliche Gedanken an Paris streng genommen kein wahrhaft impressionistischer Film werden würde, klang das Ganze doch nach einer Geschichte, die ihm gefallen hätte. Ich hätte ihm gern erzählt, dass sein altes Kino noch zu solch glanzvollen Ehren kam. Und dass ich im Cinéma Paradis die Liebe meines Lebens gefunden hatte.
Allan Wood war zum Ende seiner Geschichte gekommen.
»Na, wie finden Sie
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