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Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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Freund hat es sich in den Kopf gesetzt, dieses Mädchen wiederzufinden. Ich habe ihm abgeraten«, sagte Robert. »Man kann seine Zeit sinnvoller nutzen.« Er legte seine Hand auf Melissas Knie und lächelte wie einer, der seine Zeit sinnvoller zu nutzen versteht.
    »Ich werde sie trotzdem suchen«, sagte ich und lächelte wie einer, der es besser weiß. »Trotzdem danke, dass du gekommen bist.« Ich erhob mich und griff nach meiner Brieftasche.
    »Er ist einfach nicht zu belehren«, sagte Robert. »Das schätze ich so an ihm. Nein, nein, lass mich das machen, bitte.« Er schob meine Hand mit der Brieftasche beiseite. »Aber mal im Ernst, Alain. Bleib locker! Du könntest auch einfach ganz entspannt abwarten, anstatt dich selbst so zu stressen. Sie weiß doch, wo dein Kino steht, und wenn es ihr ernst ist, wird sie sich schon melden, oder?«
    Er warf Melissa einen Blick zu und wartete auf Bestätigung.
    »Nicht unbedingt«, entgegnete Melissa, und ich fand sie wirklich sehr sympathisch. Sie stützte ihr schmales Gesicht in die Hand und schaute mich kokett von unten an. Mit ihren schillernden Augen und den in der Mitte gescheitelten langen Haaren, die ihre Stirn fast verdeckten, hatte sie etwas von einer Quellnymphe.
    »Also, ich finde das alles sehr romantisch«, sagte sie und stieß einen kleinen wohligen Seufzer aus. »Geben Sie nicht auf, Alain. Suchen Sie sie!«

16
    Es waren zwanzig Namen. Nachnamen allesamt. Ich stand vor dem grünen Eingangstor in der Rue de Bourgogne und studierte eingehend die Messingschilder mit den schwarzen Gravuren.
    Die Sache ist komplizierter, als du denkst, hatte Robert gesagt, aber er wusste nicht, wovon er sprach. Keiner wusste das. Es entbehrt im Nachhinein nicht einer gewissen Ironie, dass mein Freund in völliger Unkenntnis den Nagel auf den Kopf traf. Die Sache war nämlich tatsächlich weitaus komplizierter, um nicht zu sagen komplexer, als wir alle dachten.
    Doch an diesem Donnerstag, als ich am frühen Abend etwas unschlüssig, aber dennoch entschlossen und mit einem gewissen Grundoptimismus auf die Namensschilder starrte, hing noch ein Rest von Sonnenwärme in der schmalen Straße, und ich dachte, na gut, das ist jetzt etwas mühsam, aber doch durchaus im Bereich des Möglichen.
    Ich hatte mir überlegt, systematisch vorzugehen. Da Mélanies Wohnung sich wohl in einem der oberen Stockwerke des Hintergebäudes befand, würde ich mich zunächst auf die oberen Schilder konzentrieren. Ich ließ den Blick über die Namen gleiten – oft genug war es doch so, dass Vor- und Nachname eine gewisse Einheit bildeten – und murmelte sie versuchsweise vor mich hin:
    »Bonnet, Rousseau, Martin, Chevalier, Leblanc, Pennec, Duvalier, Dupont, Ledoux, Beauchamps, Mirabelle …«
    Mirabelle? Mélanie Mirabelle – das schien mir gut zusammenzupassen.
    Doch zunächst würde ich einfach irgendwo klingeln, um mir unter einem Vorwand den Zutritt ins Haus zu verschaffen. Auf diese Weise konnte ich durch den Innenhof gehen und gleich in das hintere Gebäude gelangen.
    Kurz entschlossen drückte ich die Klingel neben einem Schild im Erdgeschoss, das augenscheinlich zum Vordergebäude gehörte, und wartete. Nichts passierte. Ich wollte gerade schon woanders klingeln, als es in der Gegensprechanlage knackte.
    »Hallo?«, meldete sich eine zittrige Stimme, die offensichtlich einer alten Dame gehörte. »Hallo???«
    Ich atmete tief durch und versuchte eilig und doch unbeteiligt zu klingen, wie einer dieser Boten von UPS, die ihre Wagen ohne jede Rücksicht mit Warnblinkanlage in den Straßen parkten.
    »Ich habe hier eine Sendung für Mirabelle – würden Sie mir bitte aufdrücken?«
    »Hallo?«, kreischte es wieder. »Ich höre nichts.«
    »Ja, hallo!« Ich bemühte mich, lauter zu sprechen. »Entschuldigen Sie, Madame, ich habe hier eine Sendung für …«
    »Hallo? Dimitri? Dimitri, bist du es? Hast du wieder deinen Schlüssel vergessen, mein Jungchen?«
    Ich trat so dicht an die Sprechanlage wie nur möglich und schrie: »Nein, hier ist nicht Dimitri, hier ist die Post! Könnten Sie mir bitte aufdrücken, Madame?«
    »Aaah …« Die alte Frau schrie kurz auf und in der Sprechanlage knackte es verdächtig. »Um Himmels willen, schreien Sie doch nicht so, Sie haben mich erschreckt. Ich bin ja nicht taub.«
    Es folgte Schweigen. Dann, lauernd: »Wollen Sie zu Dimitri?«
    »Nein«, schrie ich zurück. »Ich habe …«
    »Dimitri ist nicht da«, rief sie mit schriller Stimme, und ich fragte mich, wer

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