Eines Abends in Paris
Kopf geschüttelt, aber zu verstehen gegeben, dass wir wild entschlossen waren, für die Sträuße Geld im Gegenwert eines Kleinwagens auszugeben.
»Sie müssen übergewältigend sein!«, hatte Allan gesagt.
Und das waren sie in der Tat – übergewältigend. Wir konnten die Sträuße kaum tragen, aber immerhin zogen die mit rosafarbenem und himmelblauem Papier umwickelten Blumen die wohlwollenden Blicke aller weiblichen Passanten auf sich, denen wir begegneten. Und das war schon mal ein gutes Zeichen.
Wir hatten viel diskutiert an diesem Freitag, als Allan etwas erschöpft, aber glücklich aus dem Cinéma Paradis zurückkam, wo am Nachmittag die letzte Szene abgedreht worden war. Wir hatten viel überlegt und waren zu dem Schluss gekommen, dass der frühe Samstagmorgen die größtmöglichen Chancen bot, Mélanie Bécassart in ihrer Wohnung anzutreffen. Wenn sie die Tür öffnete, sollte ich dort in vorderster Reihe stehen, ihr die Blumen entgegenhalten und etwas sagen wie: »Bitte, verzeih mir und gib mir nur eine Minute. Ich muss mit dir reden.« Danach würde Allan Wood hinter seinem Strauß in Erscheinung treten.
Es sei immer gut, eine Frau um Verzeihung zu bitten, hatte Allan gesagt.
Um neun Uhr standen wir mit klopfendem Herzen vor Mélanies Wohnungstür. Wir hätten es sicher auch anders geschafft, aber glücklicherweise gab es in dem herrschaftlichen Gebäude in der Rue des Tournelles eine Concierge. Diese äußerst freundliche Dame hatte uns bereitwillig ins Haus gelassen, als sie unsere Blumen sah und wir ihr treuherzig erklärten, dass Mademoiselle Bécassart heute Geburtstag habe und wir sie überraschen wollten. Männern mit Blumen traut man offenbar nichts Schlechtes zu.
Im Flur war es friedlich und ruhig. Das ganze Haus schien noch zu schlafen, als wir die leise knarrende Holztreppe hinaufgingen. Im dritten Stock blieben wir stehen.
Ich blickte auf meinen Strauß und dachte, dass ich noch für keine Frau so viele Rosen gekauft hatte. Dann streckte ich die Hand nach der Klingel aus.
Ein melodischer Dreitonklang ertönte. Ich hörte zu, wie er verklang, und wagte kaum zu atmen. Hinter mir raschelte Allan mit seinen Blumen. Wir warteten angespannt. Wie oft hatte ich in den letzten Wochen schon vor fremden Türen gestanden und geläutet. Diesmal sollte es das letzte Mal sein.
Hinter der schweren dunklen Holztür regte sich nichts.
»So ein Mist, sie ist nicht da!«, zischte ich.
»Schhh!«, machte Allan. »Ich glaube, ich habe etwas gehört.«
Wir lauschten. Und dann hörte ich es auch. Schritte und ein leises Knarren von Dielenböden. Ein Schlüssel wurde im Schloss umgedreht, dann öffnete sich die Tür einen Spalt und gab den Blick frei auf eine zierliche Gestalt mit zerzaustem Haar, die in einem blau-weiß-geringelten Nachthemd und mit bloßen Füßen da stand und sich die Augen rieb.
»Ach, du meine Güte, was ist denn das ?«, sagte sie und ihr erstaunter Blick glitt über das Blumenmeer vor ihrer Tür und die beiden Männer dahinter.
Das Drehbuch sah an dieser Stelle eigentlich vor, dass ich meinen Satz sagte. Doch ich sagte nichts. Ich sah sie nur an und merkte, wie mir der Boden unter den Füßen wegglitt. Dann hörte ich wie aus weiter Ferne Allan Woods Stimme, der hinter seinen blauen Hortensien nur ein Wort hervorbrachte.
»Méla!«
»Papa!«, sagte die Frau im Nachthemd und war zu überrascht, um böse zu sein. »Was machst du denn hier?«
21
Das Leben ist eine Seifenblase, sagt Tschechow. Und meine war soeben zerplatzt. Während Allan Wood seine verlorene Tochter gerührt in die Arme schloss und diese – durch den Tod ihrer Mutter Hélène erwachsener geworden und unerwartet milde gestimmt – ihn zu sich in die Wohnung bat, legte ich meinen Rosenstrauß an der Türschwelle ab wie an einem Grab und taumelte die Treppen hinunter.
Méla war nicht Mélanie. Das war die bittere Wahrheit.
Wie sehr hatte ich gehofft, in ihr herzförmiges Gesicht mit den großen braunen Augen zu schauen, als die Wohnungstür sich langsam öffnete. Wie sicher war ich mir gewesen, dass nur ein winziger Moment mich von meinem Glück trennte.
Dann schaute mich diese fremde junge Frau mit fragendem Blick an, und ich stürzte ins Bodenlose. Es konnte nicht sein, nicht nach allem, was wir meinten, herausgefunden zu haben. Ich stand da wie der steinerne Gast und sah mir stumm die Wiedervereinigung zwischen Méla und ihrem Vater an.
Allan Wood, selbst von Gefühlen überwältigt, hatte sich nach
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