Eines Abends in Paris
des Tournelles. Dort gibt es in der Tat jemanden, der Bécassart heißt.«
»Das ist ja sensationell!«, hatte ich in mein Telefon geschrien und der Japaner mit der großen Photokamera, der an mir vorbeiging, war mit einem unangenehm berührten Lächeln zusammengezuckt. Ich war selig, aber dann musste ich an meine Erfahrungen im Haus in der Rue de Bourgogne denken.
»Meine Güte, Allan«, seufzte ich. »Das ist wirklich zu schön, um wahr zu sein. Hoffentlich ist sie es diesmal wirklich.«
»Sie ist es. Ich habe schon angerufen.«
»Was?! Und was hat sie gesagt?«
»Nichts. Ich meine – nur ihren Namen.« Allan Wood klang etwas verlegen. »Ich habe mich nicht getraut, etwas zu sagen, und gleich wieder aufgelegt. Aber sie ist es – das war definitiv Mélas Stimme.«
Die Aufregung durchfuhr mich wie ein Stromstoß. Am liebsten hätte ich sofort die Métro genommen und wäre zu Mélanie gefahren. Doch Allan Wood riet zu einem umsichtigen Vorgehen.
»Lassen Sie uns nichts überstürzen, mein Freund – es kommt jetzt nicht auf einen Tag an, und wir brauchen einen guten Plan«, sagte er mit Panik in der Stimme und bat mich zu warten, bis die Dreharbeiten im Cinéma Paradis abgeschlossen waren, die ihm gerade den letzten Nerv raubten. Dies sollte mit ein bisschen Glück am nächsten Tag der Fall sein. Vorher sah sich Allan Wood einer Konfrontation mit seiner Tochter, deren Ausgang ungewiss war, nicht gewachsen.
»Ich verstehe ihre Ungeduld, Allän, aber ich möchte den Kopf freihaben. Schließlich geht es ja nicht nur um Ihre Freundin, sondern auch um meine Tochter. Wir müssen in dieser Sache am selben Seil ziehen, okay?«
Ich nickte enttäuscht, von mir aus hätte es auch sofort losgehen können. Doch Allan beschwor mich, die Ruhe zu bewahren und ihm zu vertrauen. Er machte mir klar, dass diese hochsensible Situation ein bisschen Fingerspitzengefühl erfordern würde. Es hatte ja durchaus Gründe, dass Mélanie Bécassart ihrem Vater seit Jahren den Kontakt verweigerte und auch nicht mehr ins Kino gekommen war. Starke Gefühle waren im Spiel, und es war anzunehmen, dass die Gesuchte sich nicht vor Freude überschlagen würde, wenn ihr Vater und ich plötzlich im Türrahmen standen.
Auch wenn mein Herz schon in die Rue des Tournelles vorauseilte, sagte mir mein Verstand doch, dass Allan Wood Recht hatte. Und so verabredeten wir uns für den Freitagabend bei mir zu Hause, um in Ruhe zu besprechen, wie wir am besten vorgehen wollten.
Samstags um halb acht lag das Marais wie ausgestorben da. Die Bürgersteige waren nass, ein leichter Nieselregen fiel auf Paris, der Himmel hing bleiern über der Stadt – es war der perfekte Morgen, um auszuschlafen nach einer durchfeierten Nacht.
Zwei Männer in Regenmänteln saßen hinter der beschlagenen Scheibe eines kleinen Cafés unweit der Métro-Station Bastille bei einem Espresso und diskutierten. Dann schwiegen sie und warfen sich konspirative Blicke zu. Neben ihnen auf einer schwarz gestrichenen Holzbank lagen zwei riesige Blumensträuße. Es war unschwer zu erraten, dass diese beiden Männer etwas im Schilde führten. Offenbar hatten sie einen Plan.
Es ist auch unschwer zu erraten, wer diese beiden Männer waren, doch der Vollständigkeit halber sei es an dieser Stelle noch einmal erwähnt: Die beiden Männer waren Allan Wood und ich.
»Vielleicht ist es doch besser, wenn Sie vorgehen, Allan«, sagte ich gerade. In wenigen Minuten würden wir bei Mélanie Bécassart in der Rue des Tournelles klingeln und mir war schlecht vor Aufregung.
»Nein, nein. Auf keinen Fall – wenn sie mich sieht, wird sie uns gleich die Tür vor der Nase zuknallen. Sie müssen vorgehen.«
Allan Wood klapperte nervös mit der leeren Espressotasse auf dem Unterteller herum. »Drehen Sie jetzt nicht durch, Allän, wir machen es genau so, wie wir es gestern besprochen haben.«
Unser Plan war so genial, wie ein Plan zweier Männer nur sein kann, die die Liebe einer Frau zurückgewinnen wollen.
Wir hatten das getan, was Männern als Erstes einfällt. Wir hatten Blumen gekauft – Unmengen von Rosen, Flieder, Schleierkraut und Hortensien waren von einer nachsichtig lächelnden Blumenfrau zu zwei gigantischen Sträußen gebunden worden. »Für wen soll der Strauß denn sein?«, hatte sie gefragt, und Allan und ich hatten synchron geantwortet: »Für meine Tochter« und: »Für meine Freundin«, und die Blumenverkäuferin hatte gefragt, ob es für einen Geburtstag sei. Wir hatten beide den
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