Eines Abends in Paris
einigen im Flur gestammelten Erklärungen dann doch noch einmal kurz meiner erinnert und mich gefragt, ob ich nicht trotzdem noch auf einen Kaffee mit hereinkommen wolle. Ich hatte den Kopf geschüttelt. Das wäre denn doch zu viel gewesen.
Und während der kleine Mann mit der Hornbrille und seine hübsche Tochter sich sicherlich viel zu erzählen hatten, lief ich wie betäubt durch die Straßen des Marais und kam mir seltsam unwirklich vor. Es regnete immer noch, aber ich machte mir nicht einmal die Mühe, meinen Mantelkragen hochzuschlagen.
Es war gut und richtig, dass es mir in den Kragen regnete und dass ich nass wurde. Oder es war auch einfach nur egal.
Mit dem Regen brach die ganze Traurigkeit der Stadt über mich herein, und doch ist der Regen immer nur ein Regen und nichts, was dein Leben kommentiert. Das Wetter interessierte mich nicht. Wer braucht schon einen blauen Himmel, wenn er unglücklich ist?
Robert hatte schon Recht. Der Himmel, ob grau oder blau, war kalt und ohne Gefühle, und am Ende war die Sonne auch nur ein Feuerball, der unbeeindruckt von allem, was hier unten auf der Erde passierte, seine glühenden Magmamassen ins All schleuderte.
Ich lief durch die Straßen, schweren Herzens und ohne Ziel, ich kann nicht einmal sagen, dass ich besonders viel gedacht hätte, und wenn doch, kann ich mich nicht daran erinnern. Ich setzte meine Füße voreinander wie ein Automat, ich empfand nichts, nicht einmal die Feuchtigkeit, die mir in die Knochen kroch, nicht einmal den Hunger, der sich in der Magengegend bemerkbar zu machen suchte.
Ich war ein im Kampf Geschlagener und trat den Rückzug an wie vor zweihundert Jahren Napoleons Grande Armée nach der Niederlage in Russland. Zu sagen, dass ich demoralisiert gewesen sei, wäre eine Untertreibung gewesen. Dieser letzte Versuch hatte meine letzte Kraft gekostet und mir restlos den Mut genommen.
Ich wusste nicht, was ich noch hätte tun können. Ich konnte nichts mehr tun, es war vorbei. Endgültig.
Ich hatte mir die ganze Zeit über etwas vorgemacht. Wie naiv war ich eigentlich gewesen, dass ich im Ernst annehmen konnte, dass Allan Woods Tochter und die Frau im roten Mantel ein und dieselbe Person waren? Wie naiv musste man sein, um zu glauben, dass eine Frau, die sich seit Wochen nicht mehr meldete, noch in irgendeiner Form an einem interessiert war. Es war lächerlich. Ich war lächerlich. Ein Traumtänzer, so wie es Papa immer gesagt hatte.
Die Erkenntnis traf mich, als ich über den Pont Neuf marschierte und ein vorbeifahrender Taxifahrer mir eine Ladung Wasser gegen die Kleidung spritzte. Das Wasser klatschte gegen meine Beine und ich dachte: Willkommen in der Realität, Alain!
Mit einem gewissen selbstzerstörerischen Zynismus, der mir eine seltsame Befriedigung schenkte, dachte ich an Dr. Destouche aus Die Liebenden vom Pont Neuf, der die Schächte der Pariser Métro mit der erblindenden Hauptheldin plakatiert hatte, um diese ausfindig zu machen. Ein Witz! Und ich hätte ja nicht einmal ein Photo gehabt. Ich hatte nichts. Nichts außer einem Brief und ein paar schönen Sätzen.
Ich beschloss, mir das Mädchen mit dem roten Mantel ein für alle Mal aus dem Kopf zu schlagen.
Müde, nass, enttäuscht und wütend auf mich selbst, stieß ich irgendwann die Tür zum La Palette auf. Hier hatte es angefangen und hier würde ich es beenden. Wie ein Mann. Ich setzte mich an einen Tisch im hinteren Teil des Bistros und bestellte einen Pernod und eine Flasche Rotwein. Das sollte wohl genügen für den Anfang.
Eigentlich ist es nicht meine Art, mich am Nachmittag schon zu betrinken. Aber nach dem milchigen Anisschnaps und weiteren vier Gläsern eines schweren Bordeaux, die ich in gleichmäßigen Zügen trank, stellte ich fest, dass Alkohol am Nachmittag etwas äußerst Stabilisierendes haben kann.
Draußen regnete es immer noch, aber meine feuchten Sachen wurden allmählich trocken und mich selbst hatte eine dumpfe Ruhe erfasst, die sich angenehm anfühlte.
Ich winkte dem Kellner und orderte eine weitere Flasche.
Er sah mich misstrauisch an. »Möchten Sie vielleicht auch etwas essen, Monsieur? Vielleicht ein Sandwich?«
Ich schüttelte energisch den Kopf und gab einen unwilligen Laut von mir. Was redete der Idiot da für einen Unsinn. Vom Essen war noch niemand betrunken geworden. »Je veux quelque chose à boire! Etwas zu trinken«, erklärte ich mit Nachdruck.
Der Kellner kam zurück und stellte unaufgefordert ein Körbchen mit frischem
Weitere Kostenlose Bücher