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Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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schreie ich. »Cinema Paradiso! Das ist doch dein Lieblingsfilm gewesen, wir haben ihn zusammen angeschaut, erinnerst du dich denn an gar nichts mehr? Unser Kino. Das Cinéma Paradis«, wiederhole ich, als ob es ein Losungswort wäre, das die Türen aufstößt.
    Mit einem Mal huscht ein Erkennen über Onkel Bernards Gesicht. Er kneift die Augen einen Moment zusammen und sieht mich an. Dann verzieht sich sein Mund zu einem zögernden Lächeln, das immer breiter wird.
    »Ja«, sagt er. »Ja, natürlich – ich erinnere mich. Ich erinnere mich ganz dunkel. Du bist doch Alain … mein kleiner Alain … aber das ist alles schon so lange her … damals lebte ich ja noch …«
    Ich weine vor Erleichterung und ich weine darüber, dass mich nur noch ein Toter wiedererkennt. Vielleicht bin ich ja selbst schon tot. Ich bin irgendwo im Weltall und ich habe keinen Menschen mehr.
    Ich versuche die Tragik meines Seins verständlich zu machen, aber Onkel Bernard schüttelt ratlos den Kopf.
    »Aber verstehst du denn nicht«, wiederhole ich eindringlich. »Ich habe alles verloren. Ich habe alles verloren!«
    Onkel Bernard verschwimmt vor meinen Augen. »Du musst ins Cinéma Paradis, mein Junge. Geh ins Kino, dort wirst du alles finden … im Cinéma Paradis …«
    Seine Stimme verhallt und wird leiser, und ich strecke die Arme nach ihm aus, bevor ich falle und falle und falle …

24
    Noch lange nachdem ich aufgewacht war, ging mir der seltsame Traum im Kopf herum. Er begleitete mich den ganzen Vormittag über und untermalte die aufwühlenden Erlebnisse des Vortags mit einem dunklen Mollton.
    Als ich die Augen aufschlug und der Morgen mit seinen vielen kleinen vertrauten Geräuschen an mein Ohr drang, trat ich als Erstes ans Fenster und warf einen Blick in den Hof, um mich davon zu überzeugen, dass Paris wieder in die Erdatmosphäre eingetaucht war. Erleichtert stellte ich fest, dass dies der Fall war, aber die düstere Stimmung, in welche die nächtlichen Traumbilder mich versetzt hatten, ließ sich so schnell nicht abschütteln. Nun, ich hatte auch wenig Grund zur Freude, befand ich, als ich mir in meiner schmalen Küche einen Kaffee machte, der die Gespenster vertreiben sollte.
    Immer noch sah ich Mélanies blasses Gesicht vor mir und das kleine traurige Lächeln, mit dem sie in den Métro-Tunnel gefahren war.
    Auf meinem Mobiltelefon, das ich bei dem Abendessen im Georges ausgestellt hatte, fand ich mehrere Nachrichten. Drei waren von Solène, die offenbar gleich nach meinem überstürzten Aufbruch aus dem Restaurant versucht hatte, mich zu erreichen. Ihre Stimme klang zunehmend besorgt und – wie mir auffiel – auch ein bisschen verlegen. Ein Anruf war von Allan Wood, der sich auf meiner Mailbox verewigt hatte mit der Frage, ob mir das Essen nicht bekommen sei. Mein Steuerberater mahnte fehlende Unterlagen an und meine Mutter, die normalerweise nie auf dem Mobiltelefon anrief und auch keines besaß, weil sie gehört hatte, dass die Strahlen krebserzeugend seien, wollte sich von einer Reise nach Kanada zurückmelden und wissen, wie es mir ging.
    Neben all den Fragen der letzten Wochen, auf die ich keine Antwort gewusst hatte, war diese hier zumindest einfach zu beantworten.
    Mir ging es schlecht, um nicht zu sagen miserabel, und ich hatte keine Lust, auch nur einen der Anrufe zu beantworten. Ich wollte nur noch meine Ruhe wie Diogenes in seiner Tonne, und auch wenn ich kein Philosoph war, hatte ich das tiefe Bedürfnis, mich an einem Ort zu verkriechen, wo ich mit meinen Gedanken allein sein konnte.
    Ich schickte Solène eine SMS und entschuldigte mich mit Kopfschmerzen.
    Dann rief Robert an, und ich nahm ab. Robert mit seinem naturwissenschaftlichen Fatalismus war der Einzige, den ich im Moment ertragen konnte. Als ich ihm von meiner seltsamen Begegnung mit Mélanie erzählte und von der filmreifen Verfolgungsjagd bis in die Schächte der Pariser Untergrundbahn, verschlug es selbst ihm für einen Moment die Sprache.
    »Robert?«, fragte ich. »Bist du noch dran?«
    »Ja.« Seine Stimme klang ratlos. »Unglaublich«, sagte er dann. »Ich sag dir eins – die Kleine ist total schräg drauf. Wahrscheinlich so ’ne Psychopathin mit Verfolgungswahn. Das würde alles erklären.«
    »Du müsstest dich mal hören«, sagte ich. »Mélanie ist doch keine Psychopathin! Nein, nein, da ist etwas anderes …«
    »Was anderes? Wahrscheinlich ein Mann. War ein Mann bei ihr?«
    »Nein – da war niemand. Sie sah mich nur an und ist dann

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