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Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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Sie hat mir die kalte Schulter gezeigt, und ich kann es nicht verstehen. Ich begreife es einfach nicht. Wenn ich es wenigstens verstehen würde, dann wäre alles leichter.«
    »Das ist eben das Schlimme an Frauen«, stellte Robert sachlich fest. »Es gibt keine Formel dafür. Keine verbindlichen Aussagen. Selbst Stephen Hawking hat das gesagt und der ist nun wirklich genial. Er hat gesagt, dass Frauen ein absolutes Rätsel sind.«
    Robert war in seinem Element. »Und dann immer diese Befindlichkeiten, all diese Gefühle. Ich persönlich halte nichts von dem ganzen empathischen Gequatsche. Dass man immer versuchen soll, sich zu verstehen. Was soll das bringen? Ich meine, die Menschen missverstehen sich doch sowieso die halbe Zeit. Ja, man berührt sich, man streckt die Hände nach dem anderen aus, aber im Grunde seines Herzens bleibt man sich fremd. Am Ende bleibt jeder in seiner Haut stecken. In dem, was er für die Wahrheit hält. Deswegen mag ich die Astrophysik so sehr. Im Universum herrscht Klarheit. Es gibt Gesetzmäßigkeiten.«
    Ich dachte an meinen Traum. »Ich hatte einen fürchterlichen Albtraum«, sagte ich. »Paris war ein Raumschiff, wir entfernten uns in rasender Geschwindigkeit von der Erde und keiner konnte sich mehr an mich erinnern – nicht einmal du!«
    »Ja, ja«, sagte Robert ungeduldig. »Träume haben es an sich, dass sie wirr und unerfreulich sind. Die Restmüllverwertung des Gehirns. Wahrscheinlich hast du zu schwer gegessen.«
    Ich seufzte. »Warum bist du noch mal mein Freund, Robert? Ich hab’s gerade vergessen.«
    »Weil Gegensätze sich anziehen. Und im Gegensatz zu dir muss ich jetzt los und meinen Studenten die Newtonschen Gesetze nahebringen. Ich hole dich heute Abend nach der Spätvorstellung ab, und wir gehen noch ein Glas trinken. Nein, keine Widerrede! Und dann reden wir noch mal über Freitagabend. Das kommt ja gar nicht in Frage, dass du hier nur noch Trübsal bläst.«
    Mit diesen Worten legte er auf.
    Ich trank meinen letzten Schluck Kaffee und stellte die Tasse in die Spüle. Orphée kam angesprungen und miaute vorwurfsvoll vor dem Wasserhahn. Ich drehte ihn auf und sah zu, wie die Katze zufrieden ihr Wasser schleckte. An diesem Tag hätte ich gerne mit ihr getauscht.
    Mein Freund war vor allem eines: durchsetzungsstark. Natürlich kam er ins Kino und natürlich ging ich am Abend mit ihm etwas trinken – keine Widerrede. Und doch sollte Robert sich in einem täuschen.
    Wir redeten nicht darüber, ob ich am kommenden Freitag zu seinem Essen kommen würde, um Anne-Sophie mit meinem lädierten Auge zu beeindrucken. Wir redeten überhaupt nicht mehr über den Freitag. Wir saßen in einem halbleeren Bistro und redeten über Männernamen. Denn inzwischen hatte ich eine Entdeckung gemacht, die einer alten Geschichte neue Nahrung gab.
    An diesem Montagabend hatte Madame Clément ihren freien Tag, und so kam es, dass ich – nachdem der Hauptfilm zweimal hintereinander gelaufen war – derjenige sein sollte, der nach der letzten Vorstellung durch alle Reihen ging, um den Kinosaal aufzuräumen und diverse Dinge einzusammeln, die von den Besuchern vergessen worden waren.
    »Setz dich noch einen Moment hin, ich bin gleich fertig«, hatte ich Robert zugerufen, der die neuen Filmplakate im Foyer in Augenschein nahm. Wir waren allein im Kino. François hatte den Vorführraum direkt nach der letzten Vorführung in ungewohnter Eile verlassen.
    »Der englische Patient – was ist das?«, wollte Robert wissen. »Ist das gut?« Er stand vor den Filmstills des Films von Anthony Minghella, den ich für den Mittwoch in der Reihe Les Amours au Paradis ausgesucht hatte, und begutachtete Ralph Fiennes und Kristin Scott-Thomas.
    »Literaturverfilmung. Eine große, tragische Liebesgeschichte – nichts für dich also«, spottete ich. »Du bleibst besser bei Basic Instinct. «
    »Wieso? Der war doch unglaublich spannend, und diese Sharon Stone war so sexy.«
    »Eben«, sagte ich und verschwand mit dem Staubsauger in dem hell erleuchteten Kinosaal, während Robert sich in mein Büro verzog und auf dem Drehstuhl herumlümmelte.
    Das Durchsaugen eines Kinosaals, vielleicht auch das Staubsaugen an sich hat etwas sehr Kontemplatives. Man kann dabei gut seinen Gedanken nachhängen, und solange der Staubsauger eingeschaltet ist, hat auch niemand die Chance, einen zu stören.
    Ich hörte nicht, wie mein Mobiltelefon klingelte, ich hörte auch nicht, wie Robert verschiedene Telefonate führte und mehrmals laut

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