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Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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Tür.
    Mit bloßen Füßen und in einem fließenden silbergrauen Satinnachthemd stand Solène vor mir und schaute mich verwundert an.
    »Alain!«, sagte sie nur und eine leichte Röte zog sich über ihr helles Gesicht.
    »Kann ich reinkommen?«
    »Ja, ja natürlich.« Sie öffnete die Tür ein Stück weiter und ich trat ein. Unter anderen Umständen hätte ich der verschwenderischen Ausstattung sicherlich mehr Beachtung geschenkt – den edlen Möbeln, die mit kostbarem gelblichem Rosenstoff gepolstert waren, den golddurchwirkten schweren Vorhängen, dem Marmorkamin, auf dem zwei Kerzenleuchter und eine Uhr standen, die direkt aus Versailles zu stammen schienen – doch in diesem Augenblick interessierte mich nur die Bewohnerin.
    Sie schritt schweigend voran und wies auf einen Sessel.
    Ich setzte mich mit klopfendem Herzen. »Entschuldige diesen Überfall zu später Stunde«, begann ich.
    »Du musst dich nicht entschuldigen, Alain, ich gehe nie vor eins ins Bett.« Solène ließ sich malerisch in den Sessel neben mir sinken, lehnte ihren blonden Schopf gegen die hohe Rücklehne und lächelte unergründlich. »Ich liebe nächtliche Überfälle – sind die Kopfschmerzen besser geworden?«
    Ich atmete tief durch. »Hör zu, Solène, ich muss mit dir reden. Es ist wichtig.«
    »Ja, das habe ich mir schon gedacht.« Sie zog eine Haarsträhne nach vorn und spielte daran herum. Sie saß da, schön und rätselhaft wie eine Lorelei, und schien alle Zeit der Welt zu haben. »Also, was willst du mir sagen, Alain? Nur heraus damit, ich beiße nicht.«
    »Gestern Abend auf der Dachterrasse hast du mir gesagt, dass du gerne etwas für mich tun würdest …«
    »Ja?« Sie ließ die Haarsträhne aus der Hand gleiten und sah mich aufmerksam an.
    »Nun, ich glaube, du könntest mir wirklich helfen.«
    »Alles, was in meiner Macht steht.«
    »Also«, sagte ich, um meine Gedanken zu ordnen. »Es ist alles so unglaublich verwirrend … wo soll ich anfangen …« Ich überlegte. »Ich hatte keine Kopfschmerzen, gestern Abend – ich meine, das war nicht der Grund, weshalb ich … weshalb ich so überstürzt weggelaufen bin …«
    Solène nickte. »Ich weiß.« Sie neigte den Kopf zur Seite und sah zu mir herüber. »Das weiß ich doch längst, Dummkopf. Man konnte es deinem Gesicht ansehen, wie verwirrt du warst. Du musst mir nichts erklären, ich bin froh, dass du gekommen bist. Einfach so loszustürzen …« Sie lachte leise. »Aber ich verstehe dich nur zu gut. Manchmal läuft man vor seinen eigenen Gefühlen weg – erst einmal …« Sie beugte sich zu mir herüber und ihr sanfter vielsagender Blick irritierte mich.
    Ich setzte mich auf. »Solène«, sagte ich. »Ich bin nicht vor irgendetwas oder irgendjemandem weggelaufen. Gestern Nacht habe ich Mélanie gesehen. Ich bin ihr gefolgt, aber sie ist regelrecht vor mir geflohen, sie ist in die Métro gesprungen und verschwunden. Es war offensichtlich, dass sie mich nicht sprechen wollte …«
    »Méla?« Nun war es Solène, die irritiert guckte.
    »Nein, nicht Méla – Mélanie, die Frau mit dem roten Mantel. Die Frau, nach der ich die ganze Zeit gesucht habe. Sie stand am anderen Ende der Dachterrasse und starrte zu uns herüber. Ich bin mir sicher, dass sie mich erkannt hat. Und dann ist sie auf und davon. So als ob sie den Teufel höchstpersönlich gesehen hätte.«
    Ich sah, wie Solène für einen kurzen Moment die Züge entglitten, aber dann fing sie sich wieder. »Und was möchtest du jetzt von mir, Alain?«
    Ich holte tief Luft, und dann stürzten die Worte nur so aus meinem Mund. »Ich war heute Abend im Cinéma Paradis«, sagte ich. »Und dort, in Reihe siebzehn – das war ihre bevorzugte Reihe – habe ich etwas Merkwürdiges gefunden. Ein Herz mit zwei Buchstaben. Im Vordersitz eingeritzt. Das Herz konnte man schon fast nicht mehr erkennen, aber die Buchstaben schon. M. und V.«
    Solène folgte meinen Ausführungen mit großen Augen.
    »M – das steht für Mélanie, es kann gar nicht anders sein«, fuhr ich aufgeregt fort. »Und V für einen Männernamen. Aber Mélanie hat nie jemanden mit V erwähnt. Du hingegen schon. Und du kennst das Cinéma Paradis aus Kindertagen. Ich habe ein Weilchen gebraucht, aber dann fiel es mir wieder ein. Du wolltest damals weg aus Paris, da war dieser Student aus San Francisco. Dein Freund, wenn ich es richtig verstanden habe. Victor. Er hieß Victor.«
    Mir wurde es ganz eng in der Brust und ich musste Luft holen. »Das alles ist kein

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