Eines Tages geht der Rabbi
wollen, aber Amy hatte offenbar Lust, sich noch zu unterhalten.
«Gab’s was Besonderes bei dir?»
«Eigentlich nicht, nur das Übliche. Und bei dir?» fügte er höflich hinzu.
«Ich habe heute zufällig Mary Hagerstrom getroffen.»
«Hagerstrom?»
«Sie ist Wirtschafterin und Köchin bei den Magnusons.»
«Ja, richtig.»
«Ich habe sie gefragt, warum sie neulich nicht zum Frauenkreis gekommen ist. Und sie hat gesagt, daß Mr. Magnuson sie gebeten hatte, abends länger zu bleiben, weil er Gäste hatte und sie noch Sandwiches machen sollte.»
«Hm.»
«Hast du in letzter Zeit mal mit David Small gesprochen, Hugh?»
Amys Gewohnheit, unvermittelt das Thema zu wechseln, war zwar gelegentlich ärgerlich, aber nicht mehr überraschend. Er wartete geduldig darauf, daß Amy früher oder später die Verbindung zwischen den Magnusons, Mary Hagerstrom und Rabbi Small herstellen würde und gab bereitwillig Auskunft. «Nein, eigentlich nicht.»
«Hat er Schwierigkeiten?»
«Wer? David Small? Nicht, daß ich wüßte. Jedenfalls nicht mit der Polizei.»
«Mit seiner Gemeinde, meine ich.»
«Stimmt, da habe ich so einiges läuten hören, aber eigentlich war das noch nie anders. Ich glaube, Juden haben immer was an ihrem Rabbi zu meckern.»
«Hast du auch was von einer Verschwörung gehört, mit der man ihn loswerden will?»
«Nein, davon weiß ich nichts.» Er legte die Zeitung weg und schenkte ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
«Mary Hagerstrom meint, der Grund für die Party mit den Sandwiches – es waren nämlich nur Männer eingeladen …»
«Zur Sache, Amy!»
«Der Grund war, daß sie ein Videoband von einem Rabbi haben ablaufen lassen.»
«Ein Videoband von Rabbi Small?»
«Nicht Rabbi Small. Es war ein anderer Rabbi darauf zu sehen, ein jüngerer Mann. In Robe und Schal und mit so einer Mütze, wie sie die Bischöfe tragen, nur in Schwarz. Er stand an einem Pult, und es sah so aus, als ob er predigte. Mary hat ihn nur flüchtig gesehen, als sie mit den Sandwiches und Kaffee und Gläsern hereinkam. Und sie hat ein paar Bemerkungen aufgeschnappt, wie gut und wie nett er anzusehen sei.»
«Und wieso hat Mary Hagerstrom dir das alles erzählt?»
«Sie hat ganz nebenbei davon angefangen, und dann hab ich ein bißchen nachgehakt.»
«Worauf willst du hinaus, Amy?»
«Ich glaube, die Gäste auf dieser Party, das waren die großen Tiere in der Synagoge. Du weißt ja, daß Magnuson der Präsident ist, und ich glaube, daß sie sich überlegt haben, wie sie den Rabbi loswerden und statt dessen diesen anderen einstellen könnten. Mary Hagerstrom hat erzählt, daß Magnuson ihnen, als sie gingen, eingeschärft hat, nicht darüber zu sprechen, nicht mal mit ihren Frauen.»
«Es könnte ja sein, daß sie einen Gehilfen für Small einstellen wollten, eine Art Vikar», meinte Lanigan, aber es klang nicht sehr überzeugt.
«Davon würde aber Rabbi Small doch wissen, nicht?»
«Das nehme ich an.»
«Ruf ihn doch einfach an und frag ihn.»
«Könnte ich machen.» Er ging ans Telefon. Miriam meldete sich.
«Hallo, Hugh. Wollten Sie David sprechen?»
«Ja … nein … Hören Sie, Miriam, ich wollte nur wissen, ob Sie beide allein sind.»
«Ja, Chief. Wollen Sie vorbeikommen?»
Er vertauschte die Schlappen mit Laufschuhen und zog einen Pullover über. «Ich bin wahrscheinlich bald wieder da. So was kann man einfach nicht telefonisch erledigen.»
Er fuhr zur Maple Street. Miriam kam zur Haustür, als sie den Wagen in der Einfahrt hörte. «Wir wollten gerade Tee trinken. Da haben wir auf Sie gewartet.»
«Danke, Miriam, ich trinke gern eine Tasse mit.»
Erst nachdem der Tee eingeschenkt war und sie Miriams Kekse knabberten, kam Lanigan zum Thema. «Haben Sie Schwierigkeiten mit der Gemeinde, David?»
«David hat immer Schwierigkeiten mit der Gemeinde», sagte Miriam leichthin. «Das gehört einfach dazu.»
«Warum fragen Sie?» wollte der Rabbi wissen.
Lanigan ließ seinen Blick nachdenklich von einem zum anderen wandern und erzählte ihnen, was er erfahren hatte. Miriams Lächeln gefror, er sah ihr an, wie sehr es sie traf. Aber David nickte nur. «Da sieht man, wie wichtig ein hochkarätiger Manager an der Unternehmensspitze ist. Es ist nicht der erste Versuch, mich loszuwerden. Meist haben die Dissidenten sich zunächst eine Mehrheit im Vorstand verschafft, aber bis ihnen das gelungen war, hatte sich gewöhnlich schon eine ansehnliche Opposition gebildet, bestehend aus Leuten, die mit mir
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