Einfach ein gutes Leben
jedoch, bei den auf die Rolle von Konsumenten beschränkten Menschen eine Getriebenheit zu entdecken, die sie auf eben diese Beschränkung zurückführen.
»Die Frustration der marktfreien Bedürfnisse nach menschlichen Beziehungen, Einsatz für die Gemeinschaft, selbstbestimmter Entfaltung macht krank, wenn bei steigendem Wohlstand die Wünsche einseitig auf materielle Güter fixiert bleiben«, schreiben zum Beispiel Dahm und Scherhorn. Fatal sei dabei, dass die kapitalistische Marktwirtschaft auf beständiges Wachstum baut und damit auch die Bedürfnisse nach ihren Gütern permanent mitwachsen müssen. Diese Wirtschaft braucht den maßlosen Konsumenten. Wünsche dürfen nicht an ein Ende kommen. Konkrete Bedürfnisse nach Nahrung, Kleidung oder zwischenmenschlichem Kontakt werden durch ein »generalisiertes Wünschen« ersetzt, dem Dauerzustand nicht zufriedengestellter Begehrlichkeiten. Konsumenten, so Zygmunt Bauman, leben in der Unsicherheit, nicht zu wissen, ob sie wirklich das Beste erworben, das Optimale herausgeholt oder das Maximum gegeben haben. Ein souveräner Umgang mit ihren authentischen Bedürfnissen, die mitdem Konsumverhalten ja nur teilweise erfüllt werden, sieht anders aus. Als Erstes müssten die authentischen Bedürfnisse dazu überhaupt erkannt werden. Subsistenzarbeit kann dazu beitragen, insofern sie auch »Arbeit am Selbst, am Sinn, an den menschlichen Beziehungen, in der Muße« ist. 168
Die Erkenntnis kann jedoch nur ein erster Schritt zu einem souveräneren Umgang der Menschen mit den Gütern sein, der letztlich zu einem ausgewogeneren Verhältnis von materiellem und immateriellem Wohlstand führt. Wir müssten außerdem eine für die Moderne typische Erwartung an unsere Lebenswelt relativieren, nämlich die Erwartung, alles bereits »konsumfertig« und in möglichst vielen Variationen vorzufinden, sodass wir nur noch die genehmste Alternative auswählen müssen.
Ein weiteres Hindernis für ein souveränes gesellschaftliches Handeln sind die sogenannten positionalen Güter, das heißt solche, die als Symbole für sozialen Status ihrem Träger eine relativ hohe Position innerhalb der Gesellschaft verleihen, etwa Nerzmäntel oder Karten für den Wiener Opernball. Positionale Güter werden typischerweise verknappt (zumeist über den Preis). Wären sie allgemein zugänglich, verlören sie ihre symbolische Funktion der Statuserhöhung. In Tausch-, Leih- oder Schenksystemen dagegen ist der Zugang zu den Gütern demokratisiert. Wie das Beispiel des Prosuming oder des Social Commerce zeigen, bieten webbasierte Produktions- und Handelsplattformen weitere Möglichkeiten für eine Verbreiterung der Versorgungsgrundlagen.
Um »echten« Wohlstand zu erreichen, müssten drittens die Güter selbst einen anderen Charakter annehmen. Juliet Schor plädiert für Güter, die sowohl Bedürfnisse zufriedenstellen als auch eine nachhaltige Ressourcennutzung erlauben. Dafür sieht sie nur solche geeignet, die die drei Anforderungen Langlebigkeit, Multifunktionalität und Benutzerangepasstheit erfüllen. 169 Langlebig sollten Produkte sein, um den Ressourcenverbrauch und das Abfallaufkommen niedrig zu halten. Von Menschen, die Eigenarbeit betreiben, wird gerade dieses Merkmal als eines der wichtigsten für ihre selbst hergestellten Produkte angegeben. Ähnliches gilt für die Multifunktionalität. Geräte, die nur einem einzigen, zudem sehr eingeschränkten Zweck dienen (eine elektrische Salatschleuder zum Beispiel), werden als absurd, überkandidelt oder schlicht als »Platzverschwendung« abgelehnt. Benutzerangepasste Gegenstände schließlich sind das definierende Thema für alle Cultural Hacker, Fabber und Prosumenten. Auch der Social Commerce oder (im Falle von Dienstleistungen) die Tauschringe sind per se sehr patent darin, individuellen Bedarf in die passenden Güter zu verwandeln.
Die Arbeit befreien
Wie gut es Menschen geht, hängt in einem hohen Maß von der Tätigkeit ab, mit der sie sich einen guten Teil ihrer wachen Zeit beschäftigen: ihrer Arbeit. Dabei kommt es mindestens ebenso sehr darauf an, dass sie überhaupt Arbeit haben, um ihr Dasein bestreiten zu können, wie auf die Art der Arbeit. Die meisten derer, die in diesem Buch zu Wort kommen, sind zur Selbstorganisation übergegangen, nachdem sie die Fremdbestimmung ihrer Tätigkeiten, mangelnde Qualität der Produkte oder unfaire Arbeitsbedingungen nicht länger hinnehmen wollten. Sie arbeiten heute selbstbestimmter, kontrollieren die
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