Einfach ein gutes Leben
auf den Prinzipien des permanenten Wachstums, des Eigennutzes, der Privatisierung, der Konkurrenz und des weltweiten ›freien Marktes‹ beruhen. Subsistenzwirtschaft hingegen bedeutet: Die Erde ist begrenzt, unser Leben ist begrenzt, unsere Bedürfnisse sind begrenzt, Wachstum ist begrenzt.«
Das Wirtschaften nachhaltig machen
Die als »oikos« verstandene Wirtschaft ist eine nachhaltige Wirtschaft. Selbst organisierte Subsistenztätigkeiten können daher für sich in Anspruch nehmen, einer Ökonomie wirklicher Nachhaltigkeit die Türen zu öffnen. Für Maria Mies ist das ein Grund, in ihrer Zunahme eine Notwendigkeit zu sehen. Subsistenzinitiativen wie die Gemeinschaftsgärten in den Großstädten werden ihrer Ansicht nach durch die akuten ökonomischen Krisen befördert. Gerade den Gartenbewegungen aber stünde entgegen, dass sehr viele Flächen privatisiert sind; es fehlen die Allmenden, die es vor den Privatisierungen noch gab.
Der bereits durchindustrialisierte Teil der Welt wird also möglicherweise nicht umhinkommen, sich wieder stärker an das Subsistenzhandeln zu gewöhnen. Selbstversorgung und Eigenarbeit kommen allmählich zurück, genauer gesagt: Sie waren nie ganz fort. Andererseits sollte Subsistenz nicht auf eine bloße Reaktion auf einen als misslich empfundenen Zustand reduziert werden. Subsistenz ist nicht eine angstvolle oder von Ärger angespornte Flucht. So, wie die Menschen in diesem Buch sie betreiben, ist sie eine Erforschung eigener, brachliegender Ressourcen. Sie ist etwas aktiv Positives, weil sie Möglichkeiten für ein Leben in größerer Fülle eröffnet. Sie ist eine Chance, die immer schon da war.
Subsistenz ist eine ökonomische und allgemeinmenschliche Notwendigkeit. Aus diesem Grund konnte sie auch nieverschwinden. Sie ist lediglich unsichtbar geworden und hat derweil ihre Gestalt verändert. »Subsistenzproduktion und -tätigkeiten«, schreibt Veronika Bennholdt-Thomsen in Geld oder Leben , »verlieren an Wertschätzung und können sich nicht entfalten, aber das unmittelbare, selbstversorgende, fürsorgliche Tun verschwindet nicht und kann auch gar nicht verschwinden«, da wir Bedürfnisse nach Gütern und Zwischenmenschlichkeit haben, die im Weltbild des Homo oeconomicus gar nicht auftauchen. Versorgung in Eigenregie und gemeinschaftlichem Tätigsein sei dagegen die »Basis für eine zivilgesellschaftliche Politik der Befreiung aus der Zwangsjacke der Wachstumsökonomie«. 166
Die primären Versorgungsleistungen, wie sie durch Subsistenztätigkeiten gestellt werden, sind langfristig auf die natürliche Lebenswelt angewiesen. Das zu ignorieren, wie wir es in der Phase der Hochindustrialisierung getan haben und bis heute tun, hieße, in die Falle des »Materialitätsparadoxons« zu tappen, wie Juliet Schor das Phänomen nennt: Die materiellen Grundlagen unseres Wirtschaftens stufen wir als relativ unbedeutend, weil billig zu haben, ein, gleichzeitig demonstriert uns ihr Schwinden immer deutlicher unsere Abhängigkeit von ihnen. 167 Anders gewendet: Je aufwendiger unser Lebensstil wird, desto mehr schaden wir unserer langfristigen Lebensqualität und desto mehr Scheuklappen müssen wir anlegen, um den Schaden zu ignorieren. Subsistenzökonomien vermeiden das Materialitätsparadoxon: Auf steigendes Ressourcenangebot reagieren sie, indem sie ihren Verbrauch an Gütern konstant halten und stattdessen den Aufwand für ihre Beschaffung reduzieren. Was bedeutet: Sie geben den immateriellen Gütern Zeit und Muße den Vorzug. In Subsistenzia Otium.
Dem falschen Wohlstand eine Absage erteilen
Über den immateriellen Wohlstand und wie er zu erreichen ist machen sich wohl alle Einsteiger ins gute Leben einmal Gedanken, entweder weil sie ihn von vornherein als Ziel gesetzt haben oder weil sie im Laufe ihrer Tätigkeiten auf die Idee stoßen. Sie setzen damit andere Bedürfnisprioritäten als die große Masse der Konsumenten, oder besser gesagt: Ihnen sind ihre ursprünglichen Bedürfnisse bewusster. Ihr Umgang mit den Gütern und ihrer Verteilung durch das Wirtschaftssystem, ihr Umgang mit der Wohlstandsfrage also, ist damit reflektierter und souveräner. In der Konsummoderne sind die Wünsche nach Besitz, Status und Attraktivität zur Normalität geworden, sie sind die gesellschaftlich am breitesten anerkannten Bedürfnisse. Tatsächlich können sie am ehesten von einer kommerziell (also um die Verfügbarkeit von Geld herum) organisierten Wirtschaft erfüllt werden. Kritiker meinen
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