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Einfach Freunde

Einfach Freunde

Titel: Einfach Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdel Sellou
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Größe, dieselbe Statur: Er sieht mir ähnlich, und ich schau sowieso auf jedem Foto anders aus. Der Schwindel ist erst aufgeflogen, als mein Kumpel blaumachte … Er hätte mir wenigstens Bescheid geben können! Mit dem werd ich noch ein Hühnchen rupfen. Doch jetzt muss ich erst mal den Sozialpädagogen abfertigen. Ich versuch’s auf die Mitleidstour:
    Â»Na ja … Die Sache ist die: Ich hab mich da nicht richtig wohl gefühlt … Es kostet schon genug Kraft, sich wieder einzugliedern, aber wenn dann auch noch fremdenfeindliche Witze gerissen werden …«
    Â»Und was wollen Sie jetzt tun? Wenn Sie Ihre Ausbildung nicht fortsetzen, kann ich Sie nicht im offenen Vollzug belassen. Sie müssen dann nach Fleury-Mérogis zurück.«
    Oh … Jetzt hab ich aber mächtig Muffensausen! Der Softi weiß also nicht, dass die Bettwäsche in Fleury viel kuschliger ist als in Corbeil! Ich schlucke meinen Stolz runter, mache ein zerknirschtes Gesicht und fange an zu betteln.
    Â»Geben Sie mir eine Woche Zeit, um einen neuen Ausbildungsplatz zu finden. Bitte, Monsieur …«
    Â»Eine Woche. Danach ist Schluss.«
    Sieh an! Er hält sich auch noch für knallhart!
    Â»Eine Woche, versprochen.«
    An Corbeil stört mich vor allem, dass wir keinen Fernseher im Zimmer haben. Abends muss man spätestens um 21 Uhr zurück sein, trägt sich in eine Anwesenheitsliste ein, unter Aufsicht eines Wärters in Uniform, der ungefähr so schlau aussieht wie der Gendarm von Saint-Tropez … Am nächsten Morgen gehen die Türen schon bei Sonnenaufgang wieder auf, damit die tapferen Insassen rechtzeitig malochen gehen können. In der Zwischenzeit dreht man Däumchen. Ich mach das nicht länger mit.
    Ich habe die Kleinanzeigen studiert. Eine Pizzeria-Kette suchte Ausfahrer. Ich hatte schon so viele Mofas und Vespas geklaut, dass ich sie auch steuern konnte, und ich war so oft durch die Straßen von Paris gerannt, dass ich jedes Arrondissement kannte wie meine Westentasche. Man gab mir den Job. Ein paar Tage lang habe ich die Calzones im Gepäckfach meines Mopeds verstaut, habe an den Haustüren geklingelt und mich schwarz geärgert, wenn niemand aufmachte, habe die Türcodes verwechselt, meine Quattro-Formaggis den unverschämten Typen verweigert, die nicht zahlen wollten, und den Obdachlosen um die Ecke ein paar Margheritas spendiert. Dann habe ich mir eine Bescheinigung ausstellen lassen, die ich dem Sozialpädagogen mit engelsgleichem Lächeln überreichte.
    Â»Gratuliere, Monsieur Sellou. Machen Sie nur so weiter.«
    Â»Mach ich. Ich will mich sogar richtig ranhalten.«
    Der Pädagoge traut seinen Ohren nicht.
    Â»Was meinen Sie damit, Monsieur Sellou?«
    Â»Na ja … Ich will ein bisschen höher hinaus. Um nicht mein Leben lang als Ausfahrer zu arbeiten. Jetzt gehe ich dem Manager in der Filiale zur Hand.«
    Â»Dann wünsche ich Ihnen von Herzen viel Erfolg.«
    Er ahnt nicht, wie weit ich es bringen werde. Sehr weit.

18
    Um das Vertrauen der Geschäftsführung zu gewinnen, habe ich einen auf Streber gemacht. So habe ich Einblick in die Funktionsweise der ganzen Firma erhalten, von der Bestellungsaufnahme über die Lieferung an den Kunden bis zur Übergabe der Abrechnung, jeden Abend nach Kassenschluss. Bei der ersten Filiale, die mich angeheuert hatte, wurde ich schnell befördert. Ich beobachtete alles ganz genau und notierte mir die Schwachstellen im System: Auch wenn es anders aussah, hatte der kleine Abdel im Gefängnis seine Lektion noch nicht gelernt. Er hatte sich nicht verändert, er suchte bloß nach einer neuen Masche.
    Nach meiner zweiten Festnahme am Trocadéro hatte ich begriffen, dass ich ein neues Business aufziehen musste. Paris hatte sich seit Mitte der achtziger Jahre und meinen Anfängen im Handel mit geklauten Uhren und Kameras verändert. Die Sicherheitsmaßnahmen waren verstärkt worden, um den Touristen einen sorglosen Aufenthalt zu ermöglichen, und die Polizei hatte sich langsam, aber sicher auf Gauner meiner Sorte eingestellt. Weil jeder immer mehr wollte, war das Klima auf der Straße rauer geworden. Wer schnell viel Geld verdienen wollte, handelte am besten mit Drogen. Die Reviere wurden hart umkämpft, es tauchten mehr und mehr Waffen auf. Zwar sah man in den Vorstädten noch keine Typen, die ihre Kalaschnikows so lässig

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