Einfach Freunde
Original dient als Beleg für den Kunden, der Durchschlag landet in der Zentrale. So stellt man dort fest, wie viel verkauft wurde und wie hoch die Einnahmen in jeder Filiale sind.
Mein Plan ist ganz simpel: Ein Teil der Ware wird unter der Hand verkauft. Wenn ein Kunde am Telefon zwei oder drei Pizzas bestellt, fragt man ihn, ob er einen Beleg will. Bei Familien oder Studenten- WG s fragen wir erst gar nicht. Bei Firmenbestellungen liefern wir den Beleg ungefragt mit. Abends stecke ich die Kopien und die entsprechenden Einnahmen in den Umschlag, der für die Geschäftsführung bestimmt ist. Der Rest ist für uns.
Natürlich muss auch die korrekte Verwendung der Zutaten nachgewiesen werden. Nichts leichter als das: Wenn der Lieferant uns morgens die Teiglinge, kistenweise Schinken und literweise TomatensoÃe bringt, biete ich ihm jedes Mal einen Kaffee an. In der Zwischenzeit greifen Yacine und Brahim unauffällig das Rohmaterial für unsere Phantom-Pizzas aus dem Lieferwagen ab. Eine andere bewährte Methode: getürkte Bestellungen, die ich selbstverständlich alle mit Durchschlag im Bonbuch eintrage. Ich denke mir beispielsweise aus, dass ein kleiner Witzbold namens Jean-Marie Dupont de Saint-Martin bei uns anruft und ein Dutzend Riesenpizzas in allen Geschmacksrichtungen ordert. Dumm nur, dass mein armer Fahrer an der angegebenen Adresse bloà auf eine Zahnarztpraxis trifft, in der niemand etwas bestellt haben will. Natürlich ist keiner von uns losgezogen, und die Pizzas wurden auch nicht gebacken. Sie wurden nur aufgeschrieben, damit die Geschäftsführung sie anschlieÃend guten Glaubens als Verlust verbuchen kann.
Zwei Männer haben mich in der Filiale aufgesucht.
»Wir wollen mit dir ins Geschäft kommen: Uns gehört ein leeres Ladenlokal in der Nähe. Wir kaufen einen Pizza-Ofen und ein Mofa, heuern einen Ausfahrer an. Du leitest uns Bestellungen weiter, die hier ankommen, wir übernehmen die Lieferung, und anschlieÃend machen wir fifty-fifty.«
Sie haben ein kleines Vermögen in den Laden investiert und ihre Firma im Handelsregister eintragen lassen, ich habe eine Freundin in der Telefonzentrale eingesetzt, und dann ging es los. Wir machten schon bald einen ordentlichen Umsatz, dann lieà er plötzlich nach. Als ich auf die Idee kam, den Namen der Firma online bei Minitel einzugeben, stellte ich fest, dass sie einen zweiten Laden eröffnet hatten, ohne mir davon zu erzählen. Vom ersten Laden hatte ich die Schlüssel, eines Nachts bin ich hingegangen, habe den Ofen abgebaut â einen dreiÃigtausend Francs teuren Baker-Sprite â, die Mofas mitgenommen, alles in Einzelteile zerlegt und weiterverkauft. Meine Geschäftspartner hatten nichts gegen mich in der Hand: Wir hatten keine Verträge geschlossen, mein Name tauchte nirgends auf. Danach sind sie ziemlich schnell pleiteÂgegangen. Ãber diese Geschichte konnte ich nicht einmal lachen.
Die Kumpels und ich waren zufrieden. Wir brauchten nicht viel, uns reichte es, mit den kleinen Fischen zu schwimmen. Wir wollten keine Millionen scheffeln, wir versuchten nicht, besonders schlau zu sein, wir hatten einfach Spaà an unseren nicht allzu miesen Streichen. In unserer kleinen Truppe gab es keine Probleme mit Alkohol oder Drogen. Wir verzichteten auf unnötigen Ballast. Wir waren uns alle einig, dass wir niemals für Geld töten würden und nicht in die Kategorie der wirklich schweren Jungs aufrücken wollten. Wir wollten vor allem eins: unseren SpaÃ, und zwar in jeder Hinsicht. Manche Kundinnen lernten wir etwas besser kennen. Nach Ladenschluss legten wir bei den Studentinnen noch eine Nachtschicht ein. Es war ein Spiel und wer sich die Schönste angelte, gewann. In den Dachstuben ging es heià her. Brahim hatte seine ganz eigene Technik: Er tat, als wäre er ein HellÂseher, und sagte den Mädchen, dass sie bei den Prüfungen am Jahresende leider, leider durchfallen würden. AnschlieÃend wollte er sie trösten, doch das klappte nicht immer. Unglückspropheten hatten bei Intelligenzbestien nicht automatisch Glück. Ich brachte die Mädchen zum Lachen. Und schon legten sie mich flach.
Das frühe Aufstehen fiel mir schwer, und ich sah nicht länger ein, warum ich mich dazu zwingen sollte. Arbeit ist anstrengend. Ob ehrlich oder unehrlich, immer ist sie anstrengend. Allmählich hatte ich es satt. Wenn ich so weitermachte, würde
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