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Einfach Freunde

Einfach Freunde

Titel: Einfach Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdel Sellou
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hab’s gut getroffen. Fleury, das ist ein Ferienlager. Besser noch: Club Med, nur ohne Sonne und ohne Miezen. Die Aufpasser, diese netten Animateure, tun alles, um uns glücklich zu machen. Die Knüppelschläge, Beleidigungen, Erniedrigungen kenne ich aus Filmen, hier habe ich so was noch nicht erlebt. Und was den berüchtigten »Seifentrick« unter der Dusche angeht: Das ist bloß eine Legende oder vielleicht eine sexuelle Phantasie. Die Wärter tun mir leid, denn die müssen ihr ganzes Leben hier verbringen. Diese grauen Gebäude tauschen sie am Abend nur gegen ein anderes, das vermutlich auch nicht fröhlicher aussieht. Mit einem einzigen Unterschied: Bei ihnen zu Hause werden die Türen von innen verriegelt, zum Schutz vor bösen Jungs wie uns, die noch nicht eingelocht wurden. Die Männer mit dem Schlüssel sind hier wie dort eingesperrt. Die Häftlinge zählen die Tage bis zu ihrer Entlassung, die Wärter zählen die Jahre bis zur Pensionierung …
    Am Anfang habe ich die Tage auch gezählt. Aber schon nach einer Woche war mir klar, dass ich die Zeit einfach verstreichen lassen und im Augenblick leben sollte, ohne an das Morgen zu denken, so wie früher … Ich bin artig geworden, habe mich mit meinen Nachbarn gutgestellt. In der Verbindungswand zwischen zwei Zellen befindet sich in Bauchnabelhöhe immer ein Loch mit acht bis zehn Zentimetern Durchmesser. So kann man sich ein bisschen miteinander unterhalten, Zigaretten oder ein Feuerzeug durchgeben oder seinen Nachbarn in den Genuss des Fernsehers kommen lassen, falls er selbst keinen hat. Dafür braucht man nur einen Spiegel so auf den Hocker zu stellen, dass er das Bild entsprechend zurückwirft. Für den anderen ist es nicht sehr bequem, den Film zu gucken, gebückt klebt er mit dem Auge am Loch und muss die Ohren spitzen, um die Dialoge zu verstehen. Aber es ist besser als nichts. An jedem ersten Samstag im Monat sendet Canal+ einen Porno. Kurz bevor es losgeht, trommeln sämtliche Gefangene gegen die Türen, auf die Tische, auf den Boden. Das ist bestimmt kein Aufruf zum kollektiven Ausbruch. Aber was dann? Keine Ahnung. Ich beteilige mich wie alle anderen an diesem Höllenlärm, es macht mir Spaß, auch wenn ich mir oft Stille wünsche. In Fleury-Mérogis ist es nie still. Niemals. Außer beim monatlichen Porno. Sobald der anfängt, verstummen alle andächtig.
    Ich hab gelernt, mich dem ständigen Lärm zu entziehen, indem ich mir einen eigenen Soundtrack bastle. Er besteht vor allem aus Filmszenen. Spiel mir das Lied vom Tod ist von 1968 , drei Jahre später kam Abdel, das göttliche Kind, auf die Welt. Zum Glück wird mein Lieblingswestern häufig gezeigt, und ich verpasse keine einzige Wiederholung. Inzwischen kenne ich die Dialoge auswendig: »Ist dir wirklich nichts anderes eingefallen, als sie umzulegen? Ich sagte, du solltest sie einschüchtern.« Darauf die furztrockene Antwort: »Ich mach das eben auf meine Art.« Oder: »Am Bahnhof waren drei Mäntel, und in den drei Mänteln standen drei Männer, und in den drei Männern waren drei Kugeln …« Der Hammer! Manchmal stoße ich auf einen Stummfilm mit Charlie Chaplin und muss so laut lachen, dass die Wärter glauben, ich drehe durch. Auch die Nachrichten im Radio und Fernsehen bringen mich oft zum Lachen. In Creil sind drei Mädchen mit Burka in die Schule gegangen – schon glauben die Franzosen, dass bei ihnen der Mullah regiert. Sie geraten buchstäblich in Panik. So absurd diese Nachrichten, einfach zum Lachen.
    Der Tag ist bald zu Ende, Licht und Fernseher schalten sich nach dem zweiten Abendfilm von allein aus. Das Jahr ist bald zu Ende, ich habe meine Zeit praktisch schon abgesessen, wenn man den Straferlass berücksichtigt. Ich hab bestimmt zehn Kilo zugenommen, als ich meine Tage wie ein alter Pascha im Liegen verbrachte. Das steht mir nicht besonders gut. Macht nichts: Draußen warten neue Geschäfte auf mich, dann muss ich wieder auf Zack sein, von null auf hundert beschleunigen, schnell und lange rennen, da werd ich schon abnehmen. Im Juni hatte ich mich vor Gericht schuldig bekannt, weil ich dachte, wenn ich die Wahrheit sage, bin ich umso schneller wieder draußen. Tatsächlich hätte ich nur alles abstreiten müssen, damit man mich bis zum richtigen Prozess wieder auf freien Fuß setzt. Dann wär ich vielleicht untergetaucht,

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