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Einfach hin und weg

Einfach hin und weg

Titel: Einfach hin und weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Jansen
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nur mit 12 Personen gefüllt, stehen die Gäste dicht gedrängt um die Theke. Eine heiße Tasse Schokolade, an der ich meine steif gefrorenen Finger aufwärme, bringt auch die anderen Knochen wieder in Schwung. Ein paar Kekse lindern den Hunger. Für Kakao, Kekse und eine Postkarte zahle ich € 2.
    Spätestens hier muss ich eine Ehrenerklärung für die Anlieger des Jakobweges abgeben: Der Camino wird, von wenigen Ausnahmen abgesehen, kommerziell nicht ausgeschlachtet. Wer das behauptet, liegt völlig falsch. Natürlich sind die Lebensmittel und sonstigen Dinge in den kleinen Dorf-Tiendas, den Tante-Emma-Läden, teurer als im Supermarkt. Aber darüber sollte man sich nicht aufregen, denn das ist bei uns in Deutschland auch der Fall. Die Übernachtungen in den Herbergen sind, wenn sie von der Gemeinde betrieben werden, manchmal frei, auf Spendenbasis, oder man fragt zwischen € 6 und € 8. Das ist angemessen und deckt meistens nur die Auslagen. Die Pilgermenus in den Restaurants kosten € 8 und beinhalten ein 3-Gang Menu und eine halbe Flasche Wein. Ein Bier 0,3 l kostet € 1,20. Also hat eigentlich niemand einen Grund, sich zu beschweren. Trotzdem tun es manche. Einige Österreicher raufen sich zusammen und veranstalten in einer Herberge eine kleine Revolte. Dem verdutzten Herbergsvater erklären sie, dass sie sich als Pilger nicht ausnehmen lassen und für die € 8 Übernachtungskosten zumindest heißes Wasser beim Duschen und eine komplett eingerichtete Küche verlangen könnten. Dem beherzten Eingreifen anderer mutiger Pilger ist es zu verdanken, dass die Österreicher nicht gelyncht wurden. Allenthalben Kopfschütteln.
    In der kleinen Dorfkneipe treffe ich Gaston und Hong mit ihrer Mutter. Gaston ist Franzose und 75 Jahre alt, drahtig und immer gut gelaunt. Hong ist 11, aus Südkorea, schleppt ihren eigenen Rucksack und ist mit ihrer Mutter seit St.-Jean-Pied-de-Port unterwegs. Respekt! Sie spricht ganz gut englisch und wir werden uns noch oft begegnen. Heute weiß ich, dass ich keine jüngeren oder älteren Pilger kennen lernte. Der Rekord hielt bis zum Schluss.
    In der Kneipe habe ich mich aufgewärmt. Jetzt also raus in die Kälte und weiter in Richtung Burgos, den Berg hinunter! Die Füße laufen fast von alleine, der Regen hat aufgehört. In Atapuerca verkneife ich mir den Besuch des archäologischen Museums. Zwar sind die Stätten für Eingeweihte weltberühmt aufgrund des Fundes von Skelettresten der ersten Europäer, mehr als 800.000 Jahre alt, aber so etwas ähnliches haben wir in Neanderthal auch und das habe ich schon gesehen. Also durch Atapuerca in Richtung Cardeñuela de Ríopico. Oh Wunder, irgendwann geht es wirklich fast nur noch abwärts. Es hat aufgehört zu regnen, der Wind weht noch mit Stärke 6. Ich mache Halt in einem Restaurant und esse eine große Portion Spiegeleier mit spanischem rohen Schinken und trinke ein Glas Rotwein dazu. Als Dessert ein Magnum. Alles für € 5. Dem Restaurant angeschlossen ist eine Herberge. 1 Raum, 30 Betten, 1 Dusche, 1 Toilette. Übernachtung für € 3. gebucht.
    Es ist noch früh. Den Ort werde ich mir später ansehen, aber dafür brauche ich bestimmt nicht lange. Die Hälfte der Häuser ist eingefallen, außer in der Kneipe habe ich keinen Menschen gesehen.
    Heute begegnete mir der erste Pilger zu Pferd. Startete in Cadiz, ritt nach Santiago und ist jetzt auf dem Weg nach St.-Jean-Pied-de-Port. Geht also den umgekehrten Weg. Das Pferd lahmte und musste geführt werden. Dem Reiter ging es blendend.
     

01.06.2007 Cardeñuela de Ríopico – Burgos -Tardajos
     
    Es passieren Dinge auf dem Camino, die gewiss kein Zufall sind. Man muss sie nur sehen. Und sehen kann man Dinge nur, wenn man offen für sie ist. Wenn Ohren, Augen, Herz und Seele bereit sind. Bereit sind, Dinge zu erkennen und zu akzeptieren, die uns vielleicht auch im normalen Leben begegnen. Sie fallen uns aber nicht auf, weil wir zu beschäftigt mit uns und fremden Sachen sind.
    In einem gottverlassenen Dorf in Rioja sitzt vor dem einzigen bewohnten Haus eine uralte Frau auf einer Bank. Im Vorbeigehen sage ich kurz „Olá“. Nach 5 Metern ruft sie mir zu: „Olà, venga, hallo Du, komm mal her.“ Ich drehe mich um, geh auf sie zu und dann sagt sie: „Venga, mi hijo. Komm her, mein Sohn.“ Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht, da stehe ich vor ihr, sie gibt mir ein Kreuzzeichen auf die Stirn und sagt: „Dios contigo. Gott sei mit Dir.“ Dreht sich um und verschwindet im

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