Einfach. Liebe.
gegangen. Vielleicht hätten Sie dann sogar sich selbst die Schuld gegeben, da Sie nicht wussten, dass sie seinetwegen so oder so zum Scheitern verurteilt war. Aber stattdessen sind Sie hier. Sie wurden verlassen, haben Ihre Vorlesungen geschwänzt und den besten Wirtschaftstutor der Universität kennengelernt! Wer weiß, vielleicht werde ich Sie ja noch dazu bringen, sich in die Wirtschaftswissenschaft zu verlieben! (Was ist eigentlich Ihr Hauptfach?)
Hallo Landon,
mein Hauptfach ist Musikerziehung. Ich hasse diesen Spruch: »Wer etwas kann, tut es. Wer nichts kann, unterrichtet .« Als Musiklehrerin weiß ich, dass das Blödsinn ist. Trotzdem. Ich wollte tun . Ich habe mir vorgestellt, einem Symphonieorchester beizutreten oder einer progressiven Jazzband … Und stattdessen werde ich Lehrerin.
Ich werde nicht zu Ihrer Übung kommen können – ich unterrichte morgen meine Jungs von der Mittelschule. (Ich glaube, ich würde sie mehr beeindrucken, wenn ich die Tonleitern pupsen könnte, anstatt sie auf dem Bass zu zupfen.)
Es tut mir leid, Ihnen das zu sagen, aber ich habe vor, diesen Kurs hinter mich zu bringen, und danach kehre ich der Wirtschaft den Rücken. Ich schwöre, es hat nichts mit Ihren genialen Tutorfähigkeiten zu tun. Danke für das Arbeitsblatt. Sie sind zu freundlich.
JW
Hallo Jacqueline,
wenn Sie tun wollen, dann tun Sie doch. Was hält Sie auf?
Ich bin also freundlich, ach ja? Das ist ja mal was ganz Neues. Die Leute halten mich im Allgemeinen für ein arrogantes A-Loch. Ich muss zugeben, ich neige dazu, dieser Einschätzung Vorschub zu leisten. Versprechen Sie mir daher bitte, Ihre Meinung für sich zu behalten. Ein Ruf ist so leicht zu ruinieren, wissen Sie ;)
LM
PS: Machen Sie das Arbeitsblatt. Vor Freitag. Ich gewähre Ihnen einen sehr tiefen Blick hinter die Kulissen. MACHEN SIE DAS ARBEITSBLATT. Wenn Sie Probleme mit irgendeinem Teil des Stoffs haben, lassen Sie es mich wissen.
Hallo Landon,
was mich aufhält? Na ja, ich habe die Chance vermasselt, auf eine richtige Musikhochschule zu gehen. Und ich stecke in einem Bundesstaat fest, der die Künste nicht unbedingt fördert (etwas, wogegen ich vermutlich meine ganze Lehrerlaufbahn lang ankämpfen werde). Es kommt mir unmöglich vor, jetzt einfach loszuziehen und zu tun . Ich schätze, ich sollte das überdenken.
Ihre geheime Genialität ist bei mir gut aufgehoben. Meine Lippen sind versiegelt.
JW
PS: Ich MACHE das Arbeitsblatt, aber ich gewähre Ihnen einen sehr deprimierenden Blick hinter meine Kulissen. Sklaventreiber. Scheibenkleister.
Ich grinste, als ich auf Senden drückte. Vielleicht spielte ich ja ein ganz anderes Verfolgungsspiel, und Lucas und sein aufreibend rätselhaftes Lächeln konnten mir gestohlen bleiben. Erin und Maggie konnten ihre Bring-ihn-dazu-dir-nachzulaufen-Strategie für sich behalten, denn ich war damit im wirklichen Leben ganz offensichtlich gescheitert. Aber per E-Mail … Meine glückliche Miene verflog, als ich die schlichte Wahrheit erkannte – ich flirtete mit jemandem online. Und ich hatte keine Ahnung, wie er aussah oder was für ein Typ er war.
Das stimmte nicht ganz. Ich wusste genau, was für ein Typ er war, auch wenn ich ihn noch nie gesehen hatte. Er war freundlich. Und intelligent. Und ehrlich.
Natürlich hatte er für mich keinen Möchtegernvergewaltiger zu Brei geschlagen. Oder mein Innerstes zum Schmelzen gebracht, als er seine Hände um meine Taille legte. Vermutlich hatte er auch keine tätowierten Arme, keine gletscherblauen Augen und keinen betörenden Blick.
Um zehn Uhr abends trällerte mein Handy mit einer SMS .
Lucas: Hi :)
Ich: Hi :)
Lucas: Was gibt’s Neues?
Ich: Nichts. Hausaufgaben.
Lucas: Ich wollte nach dem Kurs mit dir reden, aber du warst weg.
Ich: Ich hatte gleich danach ein Seminar. Bei einem
dieser Profs, die, wenn du zu spät bist, aufhören zu reden, dich anstarren und warten, bis du auf deinem Platz sitzt.
Lucas: Ich würde vermutlich erst recht langsam zu meinem Platz gehen :)
Du solltest Freitag mal zum SB kommen. Da ist meistens nichts los. Americano, aufs Haus?
Ich: Gratis Kaffee? Das werde ich mir nicht entgehen
lassen. Ich versuche vorbeizuschauen. Wann
arbeitest du?
Lucas: Den ganzen Nachmittag. Bis fünf.
Ich: Okay.
Lucas: Bis Freitag, Jacqueline.
7
Am Freitag erschien Lucas eine Viertelstunde zu spät zur Vorlesung, und prompt hatten wir einen Kurztest – den er verpasste. Mein erster Gedanke war, wie unreif es sei, einen Test zu
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