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Einfach losfahren

Einfach losfahren

Titel: Einfach losfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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die Tasche steckte, um sich trotz des Windes eine Zigarette anzuzünden. Ich stellte mir sogar vor, sie läge auf dem Sofa in meiner Wohnung und läse, während ich dies und das erledigte. Das Beste am Mannsein ist vielleicht, dass ein Mann sich Frauen vorstellen, sie begehren und lieben kann. Was für ein Unterschied! An die Haut einer Frau denken, an ihren Körper, an die Augen, das Lächeln, die Hände. Ich bin ein Glückspilz. Ich pinkle im Stehen und liebe die Frauen. Was könnte ich mehr vom Leben wollen? Apropos im Stehen pinkeln: Dass das ein Glück ist, denke ich jedes Mal, wenn ich die Toilette gewisser Lokale betrete. Wenn ich eine Frau wäre, würde ich einen Kurs besuchen, damit ich mich wie Spiderman an der Wand festhalten kann. Denn selbst sich mit den Füßen auf die Schlüssel zu stellen ist gefährlich, weil man so leicht ausrutscht.
    Ich beendete meine geistige Filmvorführung und stand auf. Endlich hatte ich ihre Nummer und konnte mit ihr reden, ohne wie eine Wanderratte herumschleichen und Zettelchen unter die Scheibenwischer ihres Autos klemmen zu müssen. Ich wusste nicht, ob es angebracht war, sie sofort anzurufen. Am liebsten hätte ich sie jetzt schon bei mir gehabt. Vielleicht ist es besser, noch ein wenig zu warten, überlegte ich, aber während ich wartete, hatte ich Angst, sie könnte sich mit jemand anderem verabreden. Ich ging duschen.
    Ich vergesse immer, Handtücher ins Badezimmer zu legen, und wenn es mir wieder einfällt, habe ich mir schon die Hände gewaschen und weiß nicht, wo ich sie abtrocknen soll. Deshalb trockne ich sie mir immer an dem Bademantel ab, der an der Wand hängt und inzwischen schon eine ganz schwarze Seite hat.
    Ich beschloss, ihr eine SMS zu schicken.
    Was sollte ich nur schreiben? Auf sympathisch machen?
    Wie wär’s auf die klassische Tour: »Hallo, hier ist Michele, bin gerade aufgewacht. Sollen wir uns nachher treffen? Melde dich. Küsschen.«
    Nein, das geht nicht, zu formell, und außerdem könnte sie bei »Bin gerade aufgewacht« denken, ich würde ihr nach dem Aufwachen als Allererstes eine Nachricht senden… Wie aufdringlich… und überhaupt, »Küsschen« ist viel zu vertraulich.
    »Hallo, hier ist Michele, bin schon eine Weile wach. Wenn du Lust hast, könnten wir uns nachher treffen.«
    Ist vielleicht ein bisschen anmaßend, denn vorausgesetzt, sie hat Lust, dann könnte es den Eindruck erwecken, als würde ich ihr gewähren, mich zu sehen. »Wenn du Lust hast, könnten wir uns nachher treffen« klingt ein bisschen arrogant, nicht?
    »Ciao Francesca, wenn du Lust hast, ich bin hier.«
    Auweia, bin ich ein Rapper aus der Bronx, oder was? »He, Baby, wie wär’s mit einer Spritztour in meiner Limousine?«… Forget it.
    Warum ist das bloß so? Bei Leuten, die einen nicht interessieren, ist man supercool, aber wenn einem jemand gefällt, mutiert man zum Volltrottel mit Kartoffelbrei im Hirn.
    »Ciao, hier ist Michele, wenn du Lust hast, sehen wir uns, sonst eben nicht. Ich hab’s satt, wegen jeder Nachricht kritisiert zu werden.«
    Kleiner Scherz, okay. Kaum auszudenken, ich würde aus Versehen so eine Nachricht abschicken!
    Schließlich schrieb ich ihr, ich hätte den gestrigen Abend schön gefunden und würde mich freuen, sie wiederzusehen. Punkt. Eingetippt und sofort gesendet. Sonst wäre das ja nie was geworden.
    Gesendet.
    Wenn man eine Nachricht an einen Menschen sendet, der einem etwas bedeutet, zählt man vom Moment des Versendens an die Minuten, und das nervt.
    »Antworte antworte antworte.«
    Sie antwortete nicht. Vielleicht hatte sie das Handy ausgeschaltet. »Was soll ich tun, anrufen, einmal klingeln lassen, um herauszufinden, ob es eingeschaltet ist? Und wenn es eingeschaltet ist? Nachricht plus Anruf: wie lästig. Vielleicht meine Nummer unterdrücken? Nein, wenn ich es einmal klingeln lasse und auflege, merkt sie sofort, dass es ein Kontrollanruf von mir ist. Merkt sie es? Ja, sie merkt es!«
    Manchmal ist eine Minute nicht nur eine Minute, sondern eine ganze Reihe von Reinkarnationen. Beim Warten bin ich schon tausendmal wiedergeboren worden. Ich habe die gesamte Nahrungskette durchlaufen. Ich war Mücke, Gürteltier, Elefant…
    »Mal in Gesendet nachschauen, wann ich die Nachricht abgeschickt habe, damit ich weiß, wie viele Minuten vergangen sind… o nein!«
    Ich hatte die Nachricht mit T9 geschrieben. Herausgekommen war: »Ich würde mich freuen, euch wiederzusehen.« Verdammt: euch wiederzusehen, nicht, dich

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