Einfach losfahren
noch nicht, aber du bist nett, mein steinerner Koala.«
»Du kannst mich mal.«
Wir küssten uns und liebten uns noch einmal. Wie schön, wenn man frisch mit jemandem zusammen ist und dauernd miteinander schläft. Überall. Wenn man verliebt ist, heißt es, nimmt die sexuelle Lust zu, weil der Körper mehr Phenyletylamin produziert, ein Hormon, das die sexuelle Befriedigung steigert. Wir waren wie zwei mit Phenyletylamin vollgestopfte Brötchen.
Eines Nachmittags rief sie an und sagte, sie müsse mit mir reden.
»Worüber?«
»Sag ich dir, wenn wir uns sehen.«
»Ja, okay. Aber ist es eine gute oder eine schlechte Nachricht? Wenigstens das Thema…«
»Komm schon, wir sehen uns doch gleich. Küsschen, ciao.«
Ich malte mir alles Mögliche aus. Als sie dann bei mir saß, sagte sie, dass sie sehr gern mit mir zusammen sei. Ja, dass sie gar nicht gedacht hätte, dass sie überhaupt so gern mit jemandem zusammen sein könne, den sie gerade erst kennengelernt hatte. Aber sie müsse Klarheit in ihre alte Liebesbeziehung bringen, sonst sei sie nicht in der Lage, die Sache mit mir voll auszukosten. Dann sagte sie, ihr Ex habe ihr vorgeschlagen, übers Wochenende wegzufahren und es noch einmal zu versuchen.
Und sie hatte zugesagt.
»Hast du ihm erzählt, dass es einen anderen gibt?«
»Nein. Ich möchte nicht, dass er denkt, dass ich deshalb nicht mit ihm zusammen bin.«
»Heute ist doch erst Donnerstag… sehen wir uns heute Abend?«
»Besser nicht, ich wäre mit den Gedanken woanders. Ruf mich in den nächsten Tagen bitte nicht an. Solange ich diese Sache nicht in Ordnung gebracht habe, kann ich nicht voll und ganz mit dir zusammensein. Ich weiß, ich bringe alles durcheinander, verzeih mir…«
Sagte es und ging. Ich war ganz verwirrt von dem Tempo, mit dem sie sich verändert und die Art gewechselt hatte, wie sie mit mir redete. In weniger als vierundzwanzig Stunden hatte sie sich verwandelt, sie war nicht mehr die, die ich kennengelernt hatte.
Ihre Worte machten mich fertig. Ich litt.
Am nächsten Tag konnte ich mich nur sekundenweise auf das, was ich tat, konzentrieren, dann überwältigte mich der Gedanke an das, was sie tat, und erdrückte alles. Ich habe mir schon immer mit Schreiben Luft gemacht, und so schrieb ich auch an diesem Tag Sätze und Gedanken auf, gerichtet an sie, an mich und an meinen Schmerz:
Ich suche sie in allem. Vor einer Stunde ist sie mit ihm weggefahren, für ein Wochenende am Meer, und ich darf sie nicht anrufen. Ich werde verrückt. Wie bin ich nur in so eine Lage gekommen? Wieso habe ich nicht vorher die Notbremse gezogen? Wann vorher? Es ging alles so schnell, war so kurz und intensiv.
»Ruf mich nicht an«, hat sie gesagt. Ich rufe dich nicht an. Aber du sollst wissen, dass jeder Anruf, den ich unterlasse, jede Nachricht, die ich nicht abschicke, eine Geste der Liebe ist. Dass mein Schweigen dir sagt, was ich für dich empfinde. In diesen Stunden überhäufe ich dich mit unsichtbaren Liebkosungen. Werdet ihr heute Abend miteinander schlafen? Natürlich! Und wirst du ein bisschen an mich denken? Werdet ihr an den Punkt kommen, an dem er bemerkt, dass du mit deinen Gedanken woanders bist, und dich fragt: »Was ist los?«
Und du wirst sagen: »Nichts.«
Werdet ihr beim Abendessen streiten? Er wird lieb und zuvorkommend sein, aber es ist die Freundlichkeit des Bedürftigen, des Verzweifelten. Lass dich nicht vom Lächeln eines Hungrigen umschmeicheln. Bin ich gemein? Ja, und ob!
Würdest du mich jetzt gern anrufen?
Werde ich diese drei Tage durchhalten? Zweieinhalb, besser gesagt.
Ich muss mich ablenken. Was soll ich tun: trinken?
Nein! Ich atme.
Ich atme, atme, atme, aber meine Brust füllt sich einfach nicht. Sie muss ein Loch haben, ein Leck, einen Riss.
Wenn sie mich an diesen Tagen nicht ein einziges Mal anruft, spiele ich bei ihrer Rückkehr den Beleidigten. Den Wütenden. Ach was, ich werde superlieb sein. Von meinem Leid wird sie nichts erfahren.
Wenn du zurückkommst, werde ich dich nur fragen, ob’s schön war. Aber kommst du denn zurück? Komm zurück! Bitte!
Ich hörte auf zu schreiben und verließ die Wohnung. Ich stellte ihr ein Päckchen zusammen, ein Geschenk für sie: ein Gedichtband, eine CD von Sheila Chandra, die Räucherstäbchen, die ich zusammen mit ihr gekauft hatte, und eine kleine Weltkarte. Auf die Weltkarte klebte ich ein Post-it: »Such dir einen Ort aus, und wir fahren hin.« Ich verpackte alles und brachte das Paket, noch bevor sie
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