Einfach losfahren
wiederzusehen. Jetzt kommt Silvia auch mit.
Ich ging noch mal unter die Dusche, ich musste die Zeit irgendwie herumbringen.
Endlich hörte ich den Benachrichtigungston einer eingegangenen SMS .
Tropfnass stieg ich aus der Dusche.
»Was treibst du so? Mir ist ein bisschen langweilig, wenn’s dir recht ist, komme ich auf eine Tasse Tee vorbei. Paola.«
Wie kommt es bloß, dass ich heute nur Nachrichten von Francesca bekommen möchte und von niemandem sonst?
»Ciao, Paola, ich kann nicht, bin völlig durch den Wind, an Tee eingießen nicht zu denken, ein andermal gerne.«
Roch das nicht ein bisschen sehr nach schlechtem Gewissen?
Ich schrieb ihr etwas anderes. »Heute kann ich nicht. Tut mir leid. Küsschen.«
Als ich das Handy auf den Waschbeckenrand legen wollte, geschah das Wunder. Noch eine Nachricht traf ein.
Es war wie die zweite Verkündigung des Erzengels Gabriel. Meine Damen und Herren, Francesca hatte geantwortet. Ich kniete auf dem Badeteppich, als ob ich ein Tor im Finale der Champions League geschossen hätte, und las: »Ciao Michele. Ich bin gerade erst aufgewacht. Silvia bleibt heute zu Hause, sie ist müde. Wenn es dir nichts ausmacht, komme ich allein. Wenn du willst, ruf an. Fra.«
»Ciao Michele« – sie hat meinen Namen geschrieben. »Wenn du willst, ruf an… wenn es dir nichts ausmacht.«
Selbst wenn man nackt im Badezimmer steht, können Wunder geschehen!
Ich-habe-keinen-Hunger-ich-habe-keinen-Durst-ich-bin-nicht-müde-ich-spüre-nichts-ich-bin-aus-Gummi-ich-könnte-mich-selbst-an-Türkanten-stoßen-ich-bin-unverwundbar…
Ich ließ ein wenig Zeit verstreichen, das bange »Sie beachtet mich, sie beachtet mich nicht« hatte sich in nichts aufgelöst. Nun wandelte ich auf sicherem Terrain: Wenn ich anrufe, nimmt sie ab. Das Normalste von der Welt, könnte man meinen, doch bis gestern nicht mehr als eine vage Hoffnung.
Nach einer Weile rief ich sie an, ich lag auf dem Bett und hatte mir das Handy auf die Brust gelegt, die Lauttaste gedrückt. Es war, als käme ihre Stimme direkt aus meinem Herzen. Sie fragte mich, ob ich Lust hätte, mit ihr auf den Multikulti-Markt zu gehen. Natürlich sagte ich ja und wartete zu Hause auf sie, weil sie mich abholen wollte.
Im Nu war ich fertig. Sie hatte kaum geklingelt, da rannte ich hinunter, als ob ich eine Feuerwehrstange im Treppenhaus hätte. Wir schlenderten zwischen den Ständen hindurch und unterhielten uns. Ich kaufte Räucherstäbchen und Biolebensmittel. Dann betraten wir eine Konditorei, kauften Kuchen und gingen auf einen Tee zu mir. In ihrer Gegenwart war ich völlig ausgeglichen.
Ich erfuhr, dass sie sich gerade erst getrennt hatte. Oder dabei war, sich zu trennen oder so. Also, sie hatte ihn vor einer Weile verlassen, aber da er sehr darunter litt, kam er immer wieder an und versprach ihr alles, was sie gefordert und nicht bekommen hatte, als sie noch zusammen gewesen waren. Um zu ihr zurückkehren zu können, war er zu allem bereit.
»Die letzte Zeit war nicht einfach, denn er leidet, und das macht mich echt fertig, ich fühle mich beschissen. Es bringt mich um, wenn ich sehe, wie schlecht es ihm geht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es zwischen uns aus ist, aber ihn so zu sehen, zu hören, was er mir sagt… Ich habe den Eindruck, dass er bestimmte Dinge begriffen hat, aber ich weiß nicht… Ich bin durcheinander…«
»Ich verstehe, dass er dir leid tut, das ist normal, aber du kannst doch nicht mit jemandem zusammen sein, nur weil es ihm sonst schlecht geht. Was ist denn nun, willst du zu ihm zurückkehren oder nicht?«
»Bis vor ein paar Tagen war ich überzeugt, dass ich das nicht will, aber dann haben wir uns neulich abends gesehen, und er hat mich ein bisschen verunsichert… Oder vielleicht auch nicht… Ich hab’s dir ja gesagt, ich bin durcheinander. Jedenfalls macht mir allein die Tatsache, dass ich hier bei dir bin und es mir gutgeht, so einiges bewusst, glaube ich.«
»Ja, das glaube ich auch.«
»Was?«
»Dass du durcheinander bist… Wie heißt er?«
»Eugenio.«
Nachdem wir uns noch ein bisschen unterhalten hatten, küssten wir uns. Mir schlug das Herz bis zum Hals. Was für eine Frau!
Wir saßen auf dem Sofa und schauten uns einen Film an. Dann kochte ich etwas, und wir aßen zu Hause. Nach dem Abendessen und langen, unendlichen Küssen liebten wir uns. Vielleicht tat sie es nur, um sich ihrer Situation besser bewusst zu werden, vielleicht hatte sie wirklich Lust. Jedenfalls war es schön. Ich
Weitere Kostenlose Bücher