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Einfach losfahren

Einfach losfahren

Titel: Einfach losfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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vom alten Michele, dem, der ich immer für sie gewesen war, war tiefer verwurzelt als das, was ich geworden war, mächtiger als das, was ich ihnen jetzt hätte sagen können. Die Möglichkeit, dass ein Mensch sich ändern kann, zogen sie nicht mal in Betracht. Ausgeschlossen. Wenn einer anders war als früher, spielte er eine Rolle. Wer sich nie ändert, mag nicht glauben, dass andere es können. Auch an jenem Abend wurde ich mehrfach gefragt, ob ich verlobt sei, und auf mein Nein bekam ich prompt die Diagnose, ich hätte eben noch nicht die Richtige gefunden oder ich sei zu selbstverliebt. So wird jedes Gegenüber schlicht zu einem Abklatsch von einem selbst. An diesem Abend beobachtete ich sie und sagte nichts, aber ich war nicht so bescheiden und sanft, wie ich mich nach außen gab; im Gegenteil, in mir hörte ich eine Stimme, die wertete.
    Gott hat keine zwei Menschen gleich geschaffen. Aber es fiel sofort ins Auge, wie viel manche daransetzten, gleich zu sein. Sie waren keine Bilder, sondern Drucke, Poster. So viele Frisuren, Sonnenbrillen, Gürtel, Schuhe, und alle gleich. Wie viel Verzweiflung hinter jenen Gesten, wie viel versteckte Einsamkeit in diesem Lachen.
    Natürlich: Ich hatte das Glück gehabt, Menschen zu begegnen, die meine Neugier anstachelten, die mir eine Ausrichtung gaben, mich berieten und begleiteten, bis in mir eine Ahnung keimte, und doch konnte ich nichts dagegen tun, dass ich einige meiner Freunde als Menschen ohne Konsistenz betrachtete. Viele von ihnen mag ich wirklich sehr. Aber ich konnte sie nicht mehr so sehen wie früher. Alles schien mir klarer, ich sah die Mechanismen, erkannte die Gleichungen und die Passwörter. Was, wenn die Wahrheit das war, was ich wahrnahm?
    An diesen immergleichen Abenden, die schon unendlich lange so abliefen, sah ich nur noch Stillstand, obwohl doch auf den ersten Blick alles in Bewegung war. Wie im Bahnhof: Man sitzt im Zug, und irgendwann fährt er an. Erst nach ein paar Sekunden begreift man, dass nicht der eigene, sondern der Zug auf dem Nachbargleis losgefahren ist. Und man merkt, dass man sich die ganze Zeit nicht bewegt hat und immer noch im Bahnhof steht.
    Wenn ich mich manchmal außerhalb des Kontexts der Piazza, der Gruppe, der Herde, der Masse mit alten Freunden unterhielt, kam es vor, dass sie anders waren. Wenn wir die Gelegenheit hatten, ein paar Worte unter vier Augen zu wechseln, während einer Autofahrt etwa, dann verschwand die Maske, die ich auf ihren Gesichtern sah, zum Teil; manche öffneten sich und gestanden mir, dass ihr immergleiches Leben sie anödete, dass sie es leid waren, immer am gleichen Ort zu sein, in die gleichen Lokale zu gehen und die gleichen Gesichter zu sehen, aber dass sie keine vernünftige Alternative fanden. Sie wussten nicht, was sie tun sollten. Aus diesem Grund konnte keine der Frauen, nicht mal die Schönste, mit Francesca oder Sophie mithalten: Die waren lebendig, angeknipst, sie vibrierten, und vor allem waren sie fraulich. Ihre Schönheit war ewig, die der anderen folgte den Moden des Augenblicks. Die Frauen, die heutzutage als schön gelten, flößen mir oft Mitleid oder Furcht ein. Bei Unterhaltungen mit solchen Frauen habe ich gemerkt, dass ich mir selbst eine Maske aufsetzte, um ihre zu sehen. Mit Francesca hingegen habe ich einen Winkel in der Welt gefunden, wo ich meine Maske vor ihr ablegen kann, weil sie ihre abgelegt hat.
    Es kam mir nicht so vor, als wäre ich sehr lange von dieser Piazza fort gewesen. Ich hatte nichts verpasst. Nach fünf Minuten war es, als wäre ich die ganze Zeit über dort bei ihnen gewesen. Noch immer hörte ich sie prahlen, wie viel sie am Abend zuvor getrunken hatten: »Gestern Abend eine Flasche Wodka zu zweit, frag nicht, in welchem Zustand wir nach Hause kamen, wir waren vielleicht fertig…« Einer hatte sogar noch ein paar Kokskrümel an der Nase. Wahrhaft ruhmreiche Taten. Es war lachhaft. Mein Gott: Federico und ich waren bestimmt nicht besser gewesen, aber irgendwann muss doch mal Schluss sein.
    Federico hat mich vor dieser Welt bewahrt. Ich hatte das Glück, einen solchen Freund zu haben. Einen Freund, der jeden Augenblick meines Lebens in mir lebt. Ich hoffe, ich hab’s verdient.

Hinaufgefallen
    Auch jetzt, da wir dabei sind, Eltern zu werden, haben Francesca und ich jeder eine eigene Wohnung. Wir können es uns erlauben, und anstatt das Geld für andere Dinge auszugeben, machen wir es lieber so, auch wenn wir oft zusammenleben. Auf diese Weise haben wir

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