Einfach losfahren
Angelegenheiten des anderen einzumischen. Ich will nichts an den Dingen ändern, die ich nicht mit Francesca teile, und ihr geht es genauso.
Ich zum Beispiel mag kein Camping. Ich war so gut wie noch nie zelten. Eine Holzhütte, okay, und sei sie noch so verfallen, aber bitte kein Urlaub im Zelt. Francesca hingegen liebt Camping, das hat sie schon als Kind immer mit ihrer Familie gemacht. Ich möchte nicht, dass sie darauf verzichtet, will aber auch nicht mitfahren. Dann machen wir es eben so wie im letzten Jahr, dass sie mit Freunden zelten geht, die diese Vorliebe teilen.
»Ihr fahrt nicht zusammen in Urlaub? Kriselt es bei euch? Wenn du sie wirklich lieben würdest, wärst du mitgefahren. Man muss eben Kompromisse schließen. Wenn man nicht bereit ist, auch mal Opfer zu bringen… Du bist zu egoistisch, um mit jemandem zusammen zu sein. Macht euch das nicht traurig, getrennt voneinander in Urlaub zu fahren?«
Wie oft haben wir das von anderen zu hören bekommen! Wir lieben uns, aber jeder ist sein eigener Herr, gerade deshalb begehren wir uns ja. Wie soll man etwas begehren, was man hat? Menschen können einander nicht besitzen, man kann sich das höchstens einbilden.
Neulich Abend zum Beispiel sagte sie, sie wolle mit ihrem Bauch ein wenig allein sein. Ich bin glücklich zu wissen, dass ich mit einer Frau zusammen bin, die mir so etwas sagen kann. Ich blieb zu Hause und holte aus einem Karton in der Kammer die alten Platten und sortierte sie. Wie viele Erinnerungen so eine Scheibe birgt… Dann habe ich sie auf CD überspielt. Meinen persönlichen Mix für sie nannte ich Das Leben zusammen mit dir.
Ich schrieb auch ein kleines Gedicht für sie, daran hatte ich inzwischen Gefallen gefunden:
Tropfen des Wartens
rinnen über die Oberfläche meiner Entscheidungen
in dir die latente Wärme
dessen, was wir sein werden
in dir die Gewissheit
dessen, was ich nie gewesen bin.
Am Morgen darauf ging ich mit warmen Hörnchen und der Frucht meiner nächtlichen Grübelei zu ihr. Die Tatsache, dass wir nicht unbedingt immer zusammen sind oder sein müssen, führt dazu, dass wir die Augenblicke des Zusammenseins intensiver leben. Denn sie sind das Ergebnis einer realen, immer wieder neuen Entscheidung, die nicht schon vor vielen Jahren gefallen ist. Wenn ich morgens neben Francesca aufwache, weiß ich mit Sicherheit, dass sie da ist, weil sie es möchte, und nicht, weil sie hier wohnt. Keiner von uns möchte auf die wunderbare Freude verzichten, neben dem Menschen aufzuwachen, den man liebt. Morgens die Augen öffnen und das, wonach man sich immer gesehnt hat, neben sich zu erblicken – etwas so Außergewöhnliches soll nicht zur Gewohnheit werden. Keiner möchte das wunderbare Gefühl verlieren, sich in dem Verlangen, die Wärme des anderen zu spüren, aneinanderzuschmiegen.
Früher hingegen, wenn ich eine Zeitlang mit einer Frau zusammen war und sie dann immer öfter zum Schlafen blieb, tat ich morgens im Bett irgendwann so, als würde ich schlafen, und wartete, bis sie gegangen war, damit ich mich allein in der Wohnung bewegen konnte. Es hat damals Situationen gegeben, da nervte mich schon nach wenigen Tagen des Zusammenlebens mit einer Frau das Geräusch ihres Löffels in der Kaffeetasse.
Nur selten erzählen Francesca und ich uns beim Aufwachen unsere Träume. Aber wenn wir beieinander übernachten, erzählen wir uns vor dem Einschlafen oft, wovon wir gerne träumen würden. Das finden wir schöner. Und wir lieben es, allein aufzuwachen. Die Qualität unserer Beziehung beruht nicht auf den Worten »für immer«. Dass wir es jetzt möchten, verleitet uns nicht zu der Annahme, dass es immer so sein wird, bis dass der Tod uns scheidet. Das wäre zu bequem, genauso wie zu sagen, man habe den Menschen fürs ganze Leben gefunden. Wir sind füreinander lieber die Menschen, denen man das ganze Leben lang zuhören mag. Wir nutzen unsere Liebe nicht ab, wir beschützen sie, indem wir jeden Tag unsere Gefühle füreinander erneuern. Wie das Brot, das man jeden Tag neu kauft, obwohl die Bäckerei immer dieselbe ist. Unsere Liebe duftet.
Wir leben, um miteinander zu teilen. Wir sind praktisch gezwungen zu leben, um uns gegenseitig zu nähren. Das genaue Gegenteil von dem, was ich früher gemacht habe. Als ich mich oft notgedrungen unterdrückt habe, um mit jemandem zusammen sein zu können.
Dass wir nicht unter demselben Dach wohnen, erlaubt uns zum Beispiel auch, einander anzurufen und zum Abendessen einzuladen. Es ist
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