Einfach sexy
meine Mutter so gerne in den alten Filmen sieht.«
Jesses dunkle Augenbrauen schossen belustigt nach oben, auch wenn er über den Vergleich nicht gerade begeistert war.
»Nicht dass du wie ein Mädchen aussiehst«, fügte Travis hastig hinzu. »Ich wollte damit nur sagen, dass du ein guter Schwimmer bist. Wie Tarzan. Genau, der Tarzan in den ganz alten Filmen. Du schwimmst aber besser als er, weil du den Kopf unter Wasser nimmst. Tarzan hält den Kopf hoch, wahrscheinlich, damit seine Haare nicht nass werden. Warum ihn das im Dschungel stören sollte, ist mir ein Rätsel. Er hängt immer mit diesem Affen Cheetah rum. Glaubst du wirklich, Affen können denken?«
Jesse sah ihn an, als überlegte er, ob er diese Frage überhaupt beantworten sollte. So sahen Travis viele Leute an, wenn er den Mund aufmachte. »Guckst du dir häufiger alte Spielfilme an?«, fragte Jesse stattdessen.
Er unterhielt sich richtig! Mit seinem Dad! »Meine Mom steht darauf. Wusstest du das?«
Eine Pause trat ein, und Travis fiel irgendwann ein, dass seine Mutter und Jesse vermutlich nicht besonders lange zusammen gewesen waren, schließlich hatte sein Dad sie kaum wiedererkannt. Was nichts bedeuten musste, denn wie Kinder gemacht wurden, wusste Travis.
Jesse stellte einen Teller mit Eiern, Schinken und Toast vor ihn hin.
»Hm, lecker«, begeisterte sich Travis über die Essensberge.
Sie aßen schweigend, bis Jesse den Kopf hob und interessiert fragte: »Was machst du eigentlich in den Sommerferien?«
»Ich? Ich häng irgendwo rum.«
»Was machst du?«
Travis zuckte mit den Schultern. »Ich seh Fernsehen und so
‘n Zeug.«
»Während deine Mutter arbeitet.«
»Na klar.«
»Und wer kümmert sich dann um dich?«
Travis setzte sich kerzengerade auf. »Ich bin zwölf. Ich kann auf mich selber aufpassen.«
Jesse legte die Gabel auf den Tellerrand und überlegte. »Du kannst doch nicht bloß rumhängen.«
»Wieso denn nicht?«
Jesse überging seine Frage. »Du musst doch irgendwas machen. Was hältst du von diesen Sommerprogrammen? Da ist bestimmt was dabei, das dich interessiert.«
Na großartig, noch mehr Schule, stöhnte Travis insgeheim. »Was denn zum Beispiel?«
»Keine Ahnung. Vielleicht Bogenschießen? Oder Schach?«
»Schach?« Travis zog eine Grimasse.
»Und was ist mit Chemie?« Jesse hob seine Tasse an die Lippen. »Irgendwelche Stoffe zusammenmischen und Experimente machen. Fand ich immer toll. Oder Geologie. Ich wette, an der Universität werden in den Sommerferien Kurse für Kinder angeboten.«
Unvermittelt hatte Travis eine Idee, die ihn so sehr begeisterte, dass man es ihm förmlich ansah. »Wie wär’s mit Golfstunden?«
Sein Dad verschluckte sich, Kaffee schwappte über den Tassenrand.
»Ich wette, darin wär ich echt super«, schwärmte der Junge. »Du bist Golfer. Und dein Vater hat auch gespielt.«
»Woher weißt du das?«
Travis wurde rot im Gesicht. »Ich habe ‘ne Menge über dich und ihn gelesen. Dein Dad soll recht gut gespielt haben, aber du räumst sämtliche Pokale ab. Hat er denn nie gewonnen?«
Der Junge musterte ihn forschend. »Mein Dad hat oft gewonnen«, erwiderte Jesse. »In seiner aktiven Zeit war er ein hervorragender Golfer.«
Travis lauschte erwartungsvoll, doch Jesse beließ es dabei. »Ich habe gelesen, dass du demnächst vermutlich ein richtig großes Turnier gewinnst.« Verlegen stocherte er in dem Ei auf seinem Teller herum. »Und dass … dass alle Mädchen auf dich stehen.«
Jesse zog die Brauen hoch.
»Angeblich sollst du ein Mädchen schneller rumkriegen als alle anderen Golfer. Cool.«
»Cool? Diese Unterhaltung fällt bestimmt nicht in die Rubriken Essen und Klamotten.«
»Hä?«
»Ach nichts. Glaub nicht alles, was du liest, Travis. Aber vielleicht wärst du ein guter Reporter. Soll ich Katie mal fragen, ob du nicht im Sommer ein Praktikum bei ihrem Sender machen kannst?«
Leicht enttäuscht rang Travis sich ein Grinsen ab. »Von mir aus.«
Als seine Mom ihm erklärt hatte, dass sie seinen Vater besuchen würden, war er total aufgedreht gewesen. Und er hatte vermutet, Jesse würde es genauso gehen. Mussten Väter sich nicht megamäßig freuen, wenn sie plötzlich von irgendwelchen Söhnen erfuhren?
Jetzt, wo Jesse ihm gegenübersaß und ihn so merkwürdig anstarrte, fand Travis eher, dass er nicht sonderlich begeistert wirkte, aber vielleicht war er auch nicht versessen auf ein Kind wie ihn. Travis wusste, dass er oft haarsträubenden Unsinn redete und,
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