Einfach sexy
Lena.«
Lena. Den Namen hatte er doch schon irgendwo gehört. Dann fiel Jesse das Mädchen in Travis’ Zimmer ein.
»Und?«
»Er fand es überhaupt nicht gut, dass seine Tochter hier völlig unbeaufsichtigt mit Travis gespielt hat.«
»Wird nicht wieder vorkommen. Wir haben schon darüber
gesprochen. Außerdem haben sie sich bloß Golfmagazine angesehen.«
»Genau die Reaktion hatte ich von dir erwartet. Es ist vollkommen egal, was sie gemacht haben …«
»Vollkommen egal?« Jesse wurde langsam wütend, obwohl er gelassen bleiben wollte.
»Man muss einem Kind Regeln aufzeigen und ihm mit gutem Beispiel vorangehen. Du schaffst weder das eine noch das andere.«
Jesse stieß sich vom Küchentresen ab. »Was soll das hei ßen?«
»Spiel hier nicht den Naiven. Wir wissen beide, dass du von so was keine Ahnung hast. Travis ist ein Kind und muss Grenzen gesetzt bekommen, auch wenn das bei dir niemand getan hat.«
Das reichte. Von einer Minute auf die andere überwältigten Jesse wieder all die Jahre der Frustration, und er stemmte seinen älteren Bruder wütend gegen die Küchenwand. »Du weißt nicht, was für einen Scheiß du da redest.«
Aber Derek war genauso aufgebracht. »Das weiß ich nicht? Wann hast du angefangen zu rauchen? Mit elf? Und zu trinken? Mit zwölf?«
Jesse ließ sich widerstandslos beiseite schieben, weil er sich so elend fühlte, als hätte sein Bruder ihm eben einen Tritt in die Eingeweide verpasst. Er atmete schwer.
»Wann hattest du das erste Mal Sex?«, bohrte Derek gnadenlos weiter. »Mit dreizehn?«
»Ich muss mir das nicht anhören.«
»Und wie war das mit der unschuldigen jungen Frau, die dich so sehr liebte, dass du sie schamlos ausnutzen konntest?«
»Teufel noch, von wem redest du?«
»Von Kate.«
»Ich habe Kate nie ausgenutzt.«
»Ach nein? Denk mal an meine Hochzeit.«
»Ich hab es schon einmal gesagt und wiederhole es ein letztes Mal: Ich hatte nichts mit ihr.«
»Ich soll dir also abnehmen, dass in deinem Zimmer nichts zwischen euch gewesen ist. Ich hab doch gesehen, wie sie weinend rausgelaufen kam.«
»Leck mich doch!«
»War das nicht zufällig das, was du am besten kannst?«
Außer sich vor Zorn stemmte Jesse seinen Bruder erneut gegen die Wand. Diesmal fluchte Derek, dann seufzte er leise, atmete tief ein und zwang sich zur Ruhe.
»Verdammt«, sagte der ältere Chapman kopfschüttelnd. »Tut mir Leid. Ich hätte nicht wieder in der Vergangenheit herumstochern dürfen. Eigentlich bin ich hier, um Aktuelles mit dir zu besprechen.«
Jesse trat zurück. »Was denn?«
»Jesse, glaubst du im Ernst, dass du dich um Travis kümmern kannst? Findest du nicht, dass er einen geregelten Tagesablauf und so etwas wie eine Familie braucht?«
»Worauf willst du hinaus?«
»Ich nehm dir Travis ab. Ich kenne dich. Du wartest doch nur darauf, den Abflug machen zu können. Also hau ab und lass Travis bei Suzanne und mir.«
Jesses Augen verengten sich. »Aha, daher weht der Wind. Ihr könnt keine Kinder bekommen, und deshalb wollt ihr meins.«
Das hatte gesessen. Jesse fühlte sich hundsmiserabel. Aber so war es nun einmal zwischen ihnen. Ein Wort gab das andere, man warf sich verletzende Dinge an den Kopf, das war seit Jahren nie anders gewesen. Alte Gewohnheiten ließen sich eben nur schwer korrigieren.
»Mann, Derek, verschwinde. Ich kümmere mich schon um Travis. Ich habe ihn im Golfcamp angemeldet.«
»Zum Kümmern gehört mehr als ein Golfkurs. Du musst ihm ein Zuhause bieten und ihm etwas Positives vorleben.«
Katie hatte es so ähnlich formuliert. In diesem Augenblick kam Jesse eine Idee.
»Ich arbeite dran. Ich habe schon eine Vorstellung, wie Travis und ich mehr Zeit miteinander verbringen können.« Er traute seinen eigenen Worten nicht, aber gesagt war gesagt. »Wir werden das Baumhaus neu aufbauen.«
»Was?«
»Das Haus in Katies alter Pappel. Travis und ich bauen es gemeinsam wieder auf.«
9
D as Baumhaus wieder aufbauen!
Zum Teufel, was war bloß in ihn gefahren?
Während Travis und Kate das Abendessen vorbereiteten, verließ Jesse in gereizter Stimmung das Haus. Derek hatte Recht, er brannte darauf, aus der Stadt zu verschwinden.
Jesse dachte an seinen Vater.
Viele Jahre zuvor auf dem Golfplatz hatte es angefangen. Sein Vater hatte ihn und Derek mitgenommen. Damals war Jesse elf und Derek neunzehn. Derek hasste den Golfsport, Jesse dagegen war nach dem ersten Kontakt mit dem kleinen wei ßen Ball fasziniert. Er hatte das nötige Geschick
Weitere Kostenlose Bücher