Einfach sexy
war der leitende Sportredakteur des Senders. Trotz seines Alters – Kate schätzte ihn auf um die sechzig – war er ein Experte auf seinem Gebiet. Und was er nicht wusste, recherchierte er mit akribischer Genauigkeit.
»Guten Morgen, siehst gut aus.«
Er hielt sich überdies für einen Charmeur.
»Was kann ich für dich tun?«, fragte er.
»Was weißt du über Jesse Chapman?«
Vern stieß einen leisen Pfiff aus. »Der große Sohn der Stadt El Paso. Was genau willst du denn wissen?«
»Alles.«
»Das kannst du doch im People Magazine nachlesen.«
»Ich interessiere mich nicht für sein Liebesleben.« Zumindest würde sie es gegenüber Vern niemals zugeben. »Ich möchte Genaueres erfahren.«
»Lass mal überlegen.« Er beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch. »Er ist ein verflucht guter Golfer. Vermutlich einer der Besten. Wie gut er tatsächlich ist, werden wir nach dem PGA-Turnier im August wissen.«
»PGA? Das sagt mir nichts.«
»Das PGA ist das letzte von vier großen, jährlich stattfindenden Golfturnieren. Jeder Golfer muss wenigstens eins der vier Majors gewinnen, wenn er es zu einer gewissen Berühmtheit bringen will. Jesse hat es bisher nicht geschafft.«
»Gewinnen denn alle hervorragenden Golfer diese Turniere?«
»Nicht alle, aber auf Jesse lastet ein größerer Erfolgsdruck als auf vielen anderen. Zweifellos ist er gut. Und du weißt ja selbst, dass eine Menge Medienrummel um ihn gemacht wird – obwohl böse Zungen behaupten, wegen seines blendenden Aussehens und seiner Chancen bei Frauen und nicht wegen seines Talents. Ich selbst habe an Jesse immer seine Geradlinigkeit bewundert. Er lebt sein Leben, macht seine Turniere, und jetzt kann er den Schwarzmalern zeigen, was in ihm
steckt. Deshalb ist das Turnier so wichtig für ihn. Gewinnt er eins der Majors, beweist er damit, dass er nicht nur ein hübsches Gesicht hat.«
Kate erinnerte sich daran, wie sich Jesses Miene verdunkelt hatte. Die Anspannung in seinen Zügen, die er mit einem aufgesetzten Grinsen überspielt hatte. Vielleicht war er gar nicht so glücklich mit dem Sonnyboy-Image?
Vern legte die gespreizten Finger aneinander. »Jesse steht vor einem entscheidenden Turnier und unter immensem Druck – jeder Sportreporter wird ihn im August beobachten. Er muss gewinnen, und dafür braucht er einen klaren Kopf und absolute Konzentration. Was kann er da Besseres machen, als sich in seinen Heimatort zurückzuziehen?«
»Und du meinst, dass Jesse deshalb zurückgekommen ist? Weil er hier seine Ruhe hat und abschalten kann?«
»Exakt.«
Doch dann war sein Sohn aufgetaucht und hatte alles über den Haufen geworfen. Und obwohl für ihn so viel auf dem Spiel stand, hatte Jesse die Verantwortung für Travis übernommen. Unvermittelt empfand Kate Bewunderung und Respekt für Jesse. Kein Wunder, dass er seit einigen Tagen so abwesend war.
»Morgen, Kate.«
Sie drehte sich um und bemerkte den Aufnahmedirektor in der Bürotür.
»Hi, Pete.«
»Bist du bereit für die Show?«
Sie streckte die Arme aus und deutete auf die saloppe Garderobe – Hose und Pullover -, für die sie sich entschieden hatte. Vermutlich ein guter Kompromiss zwischen Leder-Outfit und elegantem Hosenanzug.
»Du siehst klasse aus«, sagte er anerkennend. »Wir sehen uns auf dem Set.«
Als sie Verns Büro verließ, nahm sie sich fest vor, Jesse fürs Erste aus ihrem Bewusstsein zu verbannen. Sie musste eine
gute Show produzieren, ansonsten könnte sie ihren Job vergessen.
Eine Stunde später jedoch, als sie die Kulissen von Live betrat, stockte ihr fast das Herz.
Jesse und Travis bogen mit dem schwarzen Jeep in die Auffahrt ein.
»Ich glaube, jetzt haben wir alles, was wir brauchen«, sagte Jesse.
»Und zwar reichlich.«
Jesse lachte. »Mag sein, dass ich ein bisschen zu großzügig war. Aber in einem Heimwerkermarkt muss ich immer gnadenlos zuschlagen.«
Travis musterte ihn, als hätte sein Vater einen Dachschaden.
Seit halb acht morgens hatten sie sich im Baumarkt herumgetrieben. Travis war durch die Gänge geschlurft und hatte Interesse geheuchelt. Bei den Sägen war er schließlich zappelig geworden. »Meinst du wirklich, dass wir eine brauchen?«
»Irgendwie müssen wir doch das Holz schneiden. Hast du etwa Angst vor Sägen?«
Nach einem langen Augenblick erwiderte der Junge: »Ich? Nee. Kann mir nichts Schöneres vorstellen, als zu sägen.«
Inzwischen stapelte sich auf der Ladefläche des Jeeps so ziemlich alles, was
Weitere Kostenlose Bücher