Einfach verliebt!: Roman (German Edition)
Von: Julia Boudreaux
Thema: Betr. Deine Idee
Mit der Seilbahn? Ich? Igitt! Die Idee ist allerdings grandios, und das Ergebnis würde Folly bestimmt schwer beeindrucken.
Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mit deinem Bekannten einen Termin ausmachen könntest.
Küsschen, j
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Zwei Tage später brauste Julia über die Mesa Street zu Roccos Wohnung. Im Rückblick gesehen, kam sie sich ziemlich naiv vor, weil sie gedacht hatte, ihre Transformation sei ein Kinderspiel. Offen gestanden wusste sie nicht einmal sicher, ob sie sich überhaupt viel dabei gedacht hatte. Sie hatte wie stets in ihrem Leben gehandelt , denn endloses Nachdenken und Analysieren, wie es viele Frauen taten, war nicht ihre Sache. Sie hatte immer schon gern die Initiative ergriffen und sich mutig in irgendwelche Projekte gestürzt. Allerdings hatte sie schnell begriffen, dass der Verzicht auf Leopardenstoffe und Stilettos einfacher war, als sich von Machos fern zu halten – im konkreten Fall von Ben Prescott. Bei ihm hatte sie so ihre Zweifel, ob es klappen würde. Er brachte sie zum Nachdenken. Und zum Analysieren.
Und um Andrew Folly einen Gefallen zu tun und ihre Show mit ein paar umwerfenden Einblendungen von El Paso zu würzen – natürlich auf Kosten des Senders -, würde sie demnächst in eine Bergbahn steigen! Eine Bergbahn!
Julia beschlich ein merkwürdiges Gefühl bei der Vorstellung, dass sie sich in einen wackligen Metallkasten mit Plexiglasfenstern setzen und Luftaufnahmen von der Stadt machen sollte. Aber wenn Andrew derartiges Filmmaterial verlangte, war das für sie okay.
Rob war leider erst in einer Woche abkömmlich, und Todd wollte und konnte sie nicht darum bitten. Also blieb es an ihr hängen.
Berufsethos und eine gesunde Portion Dickfelligkeit beflügelten sie, und sie straffte die Schultern. Dass sie eine Heidenangst hatte, verstand sich von selbst. Die Franklin Mountains bildeten die südlichste Erhebung der Rocky Mountains. Sie waren gigantisch. Schwindel erregend hoch. Zerklüftete Klippen und tiefe Schluchten. Und die Strecke zwischen Talstation und Gipfelpanorama war verflixt lang. Zum Glück müsste sie nicht aussteigen, sondern nur mit der kleinen Videokamera von unterwegs aus filmen. Und der Bergbahnführer hatte ihr hoch und heilig versprochen, sie gleich wieder ins Tal hinunterzufahren.
Vor ihrem Ausflug musste sie jedoch noch die dritte Sequenz von Primitivling aufzeichnen.
Diese war für den heutigen Tag angesetzt, gemeinsam mit Rob und Todd in Roccos Apartment. Die Fotos, die er zum Interview mitgebracht hatte, ließen eher auf eine Bruchbude schließen mit mehr Postern von halb nackten Frauen als mit Möbeln. Gleichwohl war Julia zuversichtlich, dass sie das Fernsehpublikum mit einigen gelungenen Vorher-Nachher-Einblendungen von den Stühlen reißen würde.
Da eine Menge Arbeit vor ihr lag, hatte sich Julia in weiser Voraussicht für eine khakifarbene Hose, ein schlichtes weißes T-Shirt, eine Wolljacke und ein Paar abgetragene Turnschuhe entschieden. Als sie sich im Spiegel betrachtete, fand sie sich richtig seriös und bieder. Das hätte ihr eigentlich Auftrieb geben müssen. Aber nachdem sie sich schon zwei Wochen lang so kleidete, sah sie allmählich ein, dass die Veränderung allein auf Äußerlichkeiten beschränkt war.
Was auch immer sie anstellte – bei ihrer Persönlichkeit stießen sämtliche Veränderungsaktionen auf Granit. Sie mochte seriös und bieder aussehen, vielleicht sogar so auftreten, und dennoch war sie mit dem Herzen nicht dabei.
Sie redete sich ein, dass es eben ein hartes Stück Arbeit sei, die Verruchtheit in den Griff zu bekommen. Aber daran konnte es einfach nicht liegen. Wenn sie in den Spiegel schaute und sich in Arbeitshose und T-Shirt begutachtete, fühlte sie sich nicht brav, sondern nur noch scheußlich. Und das verunsicherte sie. An Selbstvertrauen hatte es Julia nämlich nie gemangelt. Aber jetzt, im Zuge ihrer Imageveränderung und Selbstfindung, kam sie sich nicht wie neu geboren vor, sondern wie eine Fremde – mit der sie nichts zu tun haben wollte.
Sie war spät dran und bretterte zum Kern Place, wo Rocco wohnte. Als sie seinen Vorgarten sah, wäre sie am liebsten schleunigst wieder umgekehrt. Statt herbstlich gepflegter Grünflächen wie auf den Nachbargrundstücken, hatte Rocco groben Kies vor dem Haus und Eisengitter vor sämtlichen Fenstern. Das Ganze verströmte den Charme eines Gefängnisses.
Todd und Rob
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